Drohen – offensiv, defensiv oder doch grinsen

Hunde sind nicht immer nur freundlich und nett. Das wäre auch völlig unnatürlich. Denn wie wir zeigen sie agonistisches Verhalten wie Imponieren, Drohen, Angriff und Verteidigung, wenn es notwendig ist.

In diesem Artikel beschäftige ich mich mit dem Drohverhalten unserer Hunde. Denn dieses Verhalten wird leider noch viel zu oft missverstanden oder der Hund gar dafür gerügt, wenn er knurrt und Zähne zeigt.

DROHEN IST NICHT GLEICH DROHEN

So müssen wir als erstes darauf achten, ob der Hund offensiv oder defensiv droht (dazu später mehr). Denn wenn auch beide Drohverhalten dazu dienen, das Gegenüber auf Distanz zu halten oder gar zu vertreiben, so unterscheiden sie sich doch deutlich in den Emotionen und den Ursachen.

Ganz wichtig ist auch, dass wir verstehen, dass ein drohender Hund kein böser Hund ist. Im Gegenteil, er warnt damit sein Gegenüber, so dass er und der Andere die Chance haben, die Situation für alle gut und ohne Verletzungsrisiko aufzulösen.

Hinzu kommt, dass der Hund in der Regel lange bevor er droht, schon ganz viele andere Signale ausgesandt hat (siehe Eskalationsleiter). Lernst du darauf zu achten, so wirst du deinen und auch andere Hunde im Alltag und in Begegnungen viel früher unterstützen können. Und dein Hund wird immer seltener auf das Drohverhalten zurückgreifen müssen.

Dieses Verhalten zeigt der Hund übrigens nicht nur Hunden gegenüber. Denn auch Menschen, andere Tiere und Gegenstände werden so gewarnt. Wobei bei letzteren der Erfolg meist gering ist :).

OFFENSIVES DROHEN

Beim offensiven Drohen handelt der Hund aus einer sicheren Position heraus. Er zeigt damit, dass er die Auseinandersetzung nicht scheut, sollte der Angedrohte seine Warnung nicht ernst nehmen.

Der offensiv drohende Hund ist sich deshalb seiner mentalen und körperlichen Stärke sehr sicher (auch wenn er vielleicht deutlich kleiner als der andere Hund ist). Entsprechend sind auch all seine Körpersignale auf das Gegenüber gerichtet. Dabei muss er nicht einmal alle Signale zeigen. Manchmal reicht ein kurzes Anspannen mit direktem Blick, das dem Anderen sagt: Ich meine es ernst.

Damit es zu diesem offensiven Drohen kommt, muss ihn der Andere auch nicht bewusst provoziert haben. Es reicht, wenn er ihm zufällig zu nahe gekommen ist oder sich einer Ressource nähert, die ihm wichtig ist.

Reagiert der Bedrohte angemessen, das heisst, zieht er sich deeskalierend zurück, wird sich der Drohende in der Regel sehr schnell entspannen und ihn ziehen lassen. Eine 100% Garantie gibt es jedoch nicht, denn auch unter Hunden gibt es leider einige wenige die zum mobben neigen (siehe Mobbing)

Sollte der Bedrohte nicht weggehen oder gar näherkommen und ggf. Gegendrohen, kann dies je nach individueller mentaler Stärke durchaus einen Angriff auslösen. Dabei kommt es nicht zwingend zu einer ernsthaften Verletzung. Denn sehr oft reicht eine schnelle Scheinattacke oder ein gehemmter Biss, um der Drohung Nachdruck zu verleihen.

Bei einem fairen und achtsamen Umgang wird dein Hund dieses Verhalten dir gegenüber eher selten zeigen. Aber wenn doch, dann nimm seine Drohung ernst und gib deinem Hund mehr Raum. Kämpf auch nicht um eine Ressource, denn dabei können am Ende Beide nur verlieren. Und verzichte auch auf alle Einschüchterungsversuche oder strafendes Verhalten. Denn dein Hund kann seine Drohung auch gegenüber dir durchaus wahr machen.

Hast du hingegen einen Hund, der bei Hundebegegnungen öfters drohend auf andere Hund zu geht, dann empfiehlt es sich, hier einen erfahrenen Trainer hinzuzuziehen. Denn es können viele Ursachen hinter diesem Verhalten stecken, nicht zuletzt Gesundheitliches. Unser jüngere Aussie hat zum Beispiel immer wieder offensiv den älteren Hund bedroht, wenn es Letzterem gesundheitlich nicht so gut ging – oft noch bevor wir dies bemerkten.

DEFENSIVES DROHEN

Defensives Drohen wird in der Regel dann gezeigt, wenn sich der Hund unsicher oder gar bedroht fühlt und er keine Flucht- oder Rückzugsmöglichkeit sieht.

Das defensiv Drohen wirst du daher deutlich öfters bei unsicheren als bei souveränen Hunden sehen.

Aber auch ein souveräner Hund wird auf das defensive Drohen zurückgreifen, wenn er keinen anderen Ausweg sieht, wenn er also quasi an der Wand steht. Dazu kommt vielleicht noch die Angst vor dem anderen Hund oder dass ihm etwas weggenommen werden könnte.

Oder wenn er sich vor einer unangenehmen Behandlung oder medizinischen/pflegerischen Massnahme schützen möchte.

Deshalb ist auch hier wichtig, seine Signale wahrzunehmen und vom Auslöser wegzugehen bzw. den auslösenden Reiz zu entfernen. Denn die Reaktionen eines Hundes, der sich in die Enge gedrängt fühlt, können schnell einmal unberechenbar werden. Im schlimmstem Fall wendet er sich in seinem Stress auch gegen dich, wie es zum Beispiel in der umadressierten Aggression der Fall ist.

Manchmal erlebt man aber auch, dass diese Hunde, dem Angstmachenden nachsetzen und ihn von hinten abschnappen sobald die Gefahr vorüber ist. Das hat nichts mit einem hinterhältigen Hund zu tun. Im Gegenteil, es ist ein Zeichen dafür, dass der Hund völlig überfordert war und sich der innere Druck, der sich in der Situation aufgestaut hat, nun wie bei einem Dampfkochtopf Luft verschafft.

Und deshalb gilt: Egal was die Ursache für das Drohen ist, dein Hund macht es nie grundlos. Vielmehr ist es seine Möglichkeit, dem Gegenüber zu sagen, dass er im nächsten Moment zu weit gehen könnte und entweder seine Individualdistanz unterschreitet oder seinen Sicherheitsabstand.

Deshalb hilf deinem Hund: Geh auf ausreichend Distanz zu den angstmachenden Dingen, nutze Medical Training, um ihm Unangenehmes angenehmer zu machen und achte darauf, dass sich dein Hund weder offensiv noch defensiv verteidigen muss.

SO ÄHNLICH UND DOCH GANZ UNTERSCHIEDLICH

Hunde zeigen ihr Zähne jedoch nicht nur, wenn sie drohen sondern auch beim sogenannten submissiven Grinsen. Manche Rassen wie Aussies und Dalmatiner sind auch für ihr Grinsen gegenüber vertrauten Personen bekannt.

Auch ist dies Verhalten, die oft missverstanden werden.

GRINSENDER HUND

Die Aussiehündin einer Kollegin hat mich bei jedem Wiedersehen grinsend begrüsst. Dazu hat sie auch noch wie eine Taube gegurrt. Viele Menschen, die das nicht kannten, dachten im ersten Moment, sie würde mir drohend und knurrend entgegenlaufen. Und übersahen dabei, dass ihre Bewegungen weich und übertrieben waren und sie mit offenem Blick und freiwillig zu mir kam.

Leider habe ich nicht daran gedacht, davon mal ein Video zu machen. Die nachfolgenden Bilder zeigen deshalb Odin aus der Praxis meines Tierarztes, der hier seine Besitzerin (TPA) begrüsst, die uns während der 2 stündigen Narkose meines Hundes begleitet hat.

Durch Klick auf das Bild links kommst du zum entsprechenden Video. Darin erkennt man neben dem Grinsen stellenweise auch eine leichte Irritation.

Diese ist meiner Kamera geschuldet, die ich knieend in den Gang halte.

SUBMISSIV GRINSENDER HUND

Lange habe ich im Netz nach einem Video eines grinsenden Hundes gesucht. Die wenigen die ich fand waren aber entweder zu kurz oder zu unscharf.

Tragisch finde ich jedoch, dass auf der Mehrheit der Bilder und Videos, die den Titel „Lachender oder grinsender Hund“ tragen, ein Hund zu sehen ist, der ein submissives, das heisst, unterwürfiges Grinsen zeigt.

Also einen Hund, der sich in der Situation mehr oder weniger stark unwohl fühlt. Gut daran zu erkennen, dass neben den Zähnen auch ganz viele Stresssignale und Anspannung zu sehen sind.

Häufig werden dann auch Videos gezeigt, in denen der Hund während er ausgeschimpft wird, seinen Besitzer schuldbewusst“anlächelt“ (siehe auch „Das schlechte Gewissen„).

Das wohl schlimmste Video war jedoch das eines Shiba Inu, das als Beispiel eines überglücklichen und mit seinem Besitzer eng verbundenen Hundes um die Welt ging.

Das was uns an ein menschliches Lächeln erinnert, ist aber tatsächlich nichts anderes als das Zeichen eines Hundes, der versucht, seinen Menschen durch beschwichtigendes Verhalten freundlich zu stimmen, um so eine weitere Eskalation zu verhindern.


ALLE VIER VERHALTEN IM DIREKTEN VERGLEICH

IN REINFORM SELTEN ANZUTREFFEN

Gerade beim Drohverhalten sind die Signale nie ganz so eindeutig wie oben beschrieben. Denn sehr oft ist der Hund ambivalent in seinem Emotionen und zeigt dann auch Signale aus beiden Verhalten wie gefletschte Vorderzähne bei gleichzeitigem Blickvermeiden und zurückgelegten Ohren .

Deshalb schau dir immer auch alle andere Signale und die Situation an, in der sich dein Hund gerade befindet. Und nimm es als ein wunderbares Zeichen deines Hundes, dass er gerade auf deine Unterstützung angewiesen ist.

In den folgenden Videos siehst du diese Ambivalenz beim Drohen meines jüngeren Aussies und wie ich ihm durch Ansprache und Kinntarget in dem Moment helfen. Gleichzeitig sorgen wir dafür, dass die Hündin, die die Ursache für sein Drohen war, nicht näher kommt. Je ruhiger und entspannter du in diesen Situationen bist, desto eher kann dein Hund auch deine Hilfe annehmen.

Als Gradmesser für das Drohverhalten kann auch die Maulöffnung genommen werden: Je länger die Maulwinkel und je mehr Zähne zu sehen sind, desto grösser ist auch die Angst, die hinter dem Drohen steckt. Und umgekehrt, je kürzer die Maulwinkel und je weniger Zähne zu sehen sind, desto selbtsicherer ist auch das Drohen. Denn Jemand, der sich seiner sicher ist, muss nicht gleich alle Waffen präsentieren.

Auch kannst du dir die folgende Eselsbrücke merken: Bei einem sicher drohenden Hund gleicht der Maulwinkel unserem wenn wir „o“ sagen und beim defensivem einem gesprochenem „i“


Mehr zum Thema „Knurrender Hund“ findest du hier.

© 2022 Monika Oberli – Teamschule.ch

3 Gedanken zu “Drohen – offensiv, defensiv oder doch grinsen

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