Die Hundezunge – so vielfältig wie kaum ein anderes Werkzeug. Denn egal, welches der Hund gerade braucht, die Zunge formt es: die Kelle zum Trinken, die Zange zum Festhalten und die Schaufel zum Fressen. Sie dient aber auch der Kommunikation und auch bei der Temperaturregulierung und der Geschmackerkennung ist sie unverzichtbar.

Für diese Formbarkeit und Beweglichkeit sorgen starke Muskeln in der Hundezunge. Dabei ist die innere Muskulatur für die Formgebung der Zunge zuständig, während die äussere für deren Bewegung sorgt. Und als weitere Besonderheit sitzt in der Zungenspitze ein bindegewebsartiger Strang, die sogenannte Lyssa (Tollwurm). Diese ermöglicht es dem Hund, die Spitze praktisch unabhängig vom Rest zu bewegen.
Da wundert es nicht, dass die Hundezunge teils so akrobatische Verrenkungen zu Stande bringt.
ZUNGENAKROBATIK




Die eigenartigen Bewegungen der Zungenspitze führte dazu, dass man diesen Schlauch nach der griechischen Göttin „Lyssa“ (Göttin der Wut) benannte. Im Mittelalter nahm man sogar an, dass dort der Sitz der Tollwut liege, deren Ausbreitung man durch Abschneiden der Zungenspitze zu verhindern suchte.
DIE VIELFÄLTIGEN EINSATZMÖGLICHKEITEN DER ZUNGE
Die Zunge dient dem Hund nicht nur zur Nahrungsaufnahme und Weiterbeförderung der Nahrung. Mit ihr kann er auch Dinge erkunden und schmecken was er gerade isst. Selbst bei der Körper- und Maulpflege ist sie unverzichtbar und ohne sie fiele ihm auch die Regulierung seiner Körperwärme schwerer. Und für uns ist sie ein gutes Indiz für seinen Gesundheitszustand.
DIE ZUNGE ALS KELLE ZUM TRINKEN
Hast du deinem Hund schon mal auf die Zunge geschaut und gesehen wie geschickt er seine Zunge dabei nutzt?





Hunde sind nämlich nicht in der Lage Wasser aufzusaugen.
Stattdessen formen sie ihre Zunge zu einer kleinen Kelle und tauchen diese ins Wasser ein. Beim schnellen Hochziehen bildet sich eine Wassersäule, die der Hund mit den Zähnen abbeisst bevor sie in sich zusammen- und zurück ins Wasser fällt.
DIE ZUNGE ALS SCHAUFEL BEIM FRESSEN
Auch beim Fressen zeigt die Zunge ihre akrobatischen Fähigkeiten. Ihre Bewegungen führen nämlich nicht nur das Fressen ins Maul, sie walken grössere Stücke auch durch bevor diese von den kleinen und grossen Speicheldrüsen gut eingefeuchtet die Speiseröhre heruntergleiten.
Und wenn man sich im Video die Zunge von Shadow anschaut, mutet es fast als Wunder an, dass er nie drauf beisst.
DEIN HUND KANN SICH DAMIT KÜHLUNG VERSCHAFFEN

Einen Grossteil der Wärme führt der Hund über seine Pfoten ab. Bei grosser Anstrengung oder im Sommer reicht dies aber nicht und seine Zunge kommt zum Einsatz.
Je wärmer dein Hund dabei hat, desto mehr vergrössert er die Fläche für den Wärmeaustausch – sie wird breiter und er streckt sie auch weiter raus. Reicht dies nicht aus, beginnt der Hund zusätzlich zu hecheln. Der dabei erzeugte Luftstrom sorgt für zusätzliche Kühlung.
Jedoch kann so der Körper nur minimal abgekühlt werden. Zudem ist diese Art der Kühlung sehr anstrengend und verbraucht viel Flüssigkeit.
Deshalb mute sie deinem Hund nicht lange zu und gib ihm zwischendurch Wasser, damit er nicht dehydriert. Das gilt noch mehr für Hunde, deren Zunge aufgrund der kurzen Nase fast permanent aus dem Maul hängt.
DIE ZUNGE ALS GESUNDHEITSANZEIGER

Es lohnt sich, sich Zunge einmal ganz genau anzuschauen und dabei speziell auf die Farbe der Zunge zu achten. Diese ist bei den meisten Hunden im gesunden Zustand blassrosa gefärbt. Bei manchen Hunde kann die Zunge aber auch ganz blau sein oder blaue Flecken aufweisen.
Ist dies nicht der Fall oder zeigt die Zunge eine andere Färbung kann dies ein Hinweis auf eine Erkrankung sein:
- RÖTUNG: Dauert diese länger an, ist dies meist ein Zeichen für einen entzündlichen Prozess im Körper
- BLÄULICH: Dies kann ein Hinweis auf einen Sauerstoffmangel, ein Herzprobleme oder einen grösseren Flüssigkeitsmangel sein
- BLASSE FARBE*: Dies ist in der Regel ein Zeichen für Blutarmut, verursacht durch eine Kreislauf-Schwäche, innere Blutung oder eine sonstige Erkrankung, die sich auf das Blut auswirkt

Diese Hündin hatte einen Krampfanfall
und man erkennt noch
die bläuliche Verfärbung der Zunge.
Auch eine Vergiftung kann zu einer Farbveränderung führen. Hier ist die Farbe jedoch abhängig von der Art der Vergiftung.
Bei einer Magen-Darm-Erkrankung entsteht auch gerne mal ein weisslicher Belag auf der Zunge. Dieser ist aber fast immer unproblematisch.
Auch nach einer grösseren Anstrengung kann die Farbe kurz etwas dunkler sein. Hat sich der Hund jedoch erholt und ausreichend getrunken, muss sie wieder die normale Farbe aufweisen.
* Da diese Veränderungen oft auch das Zahnfleisch betreffen, kannst du durch einen einfachen Test prüfen wie kritisch es ist. Drück dazu auf das Zahnfleisch und zähle die Sekunden bis die Druckstelle wieder die vorherige Farbe angenommen hat. Dies sollte innerhalb von 1 bis 2 Sekunden geschehen sein. Dauert es länger ist eiin gesundheitliches Problem sehr wahrscheinlich.
DIE ZUNGE ALS MEDIZINISCHES INSTRUMENT
Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass der Hundespeichel desinfizierend wirkt und bestimmte Bakterien abtöten kann, wenn der Hund diesen mit der Zunge über die Wunde leckt (Link). Auch auf das Wachstum gutartiger Mikroorganismen soll er förderlich sein. Ebenso hat sich gezeigt, dass Kinder, die mit Hunden aufwachsen sind im Schnitt weniger anfällig für bestimmte Erkrankungen sind, wobei hier mehrere Gründe mitspielen (Link).
Da der Hund aber auch Krankheitserreger übertragen kann, die sich auf seiner Zunge und in seinem Speichel befinden, empfiehlt sich nicht, dies als gängige Behandlungsmethode zu wählen.
DIE ZUNGE ALS WEITERES SINNESORGAN
Sicher hast du deinen Hund aber auch schon dabei beobachtet, wie er intensiv an Pipistellen leckt und schmatzt. Dabei führt er mit der Zunge Duftstoffe aus dem Urin anderer Hunde zum Jacobson Organ.
Das Jacobson Organ liegt direkt hinter den oberen Schneidezähnen. Es handelt sich dabei um eine kleine Öffnung im Gaumen von Hunden und vielen anderen Tieren, welche direkt mit der Nase verbunden ist. So kann der Hund die Pheromone aus dem Urin aufschlüsseln und erfährt dadurch viel über Geschlecht, Alter, Hormonstatus… des anderen Hundes.
DEIN HUND KANN DAMIT SCHMECKEN

Über die gesamte Zunge verteilt sind Tast- und Geschmackspapillen verteilt.
In letzteren sitzen Geschmacksknospen mit deren Hilfe der Hund erkennen kann ob etwas süss, bitter, sauer, salzig oder umami (fleischig und herzhaft) schmeckt. Dafür sind diese nach heutigem Wissenstand in unterschiedlichen Zonen unterteilt.
- Süss wird an der Zungenspitze wahrgenommen
- Salzig und sauer an den Seitenrändern des Zungenkörpers
- Bitter und umami am Zungengrund
Diese Zuordnung wird jedoch zunehmend in Frage gestellt.
Während uns der Hund beim Riechen deutlich überlegen ist, haben wir beim Geschmack die Nase vorne. Die Hundezunge besitzt nämlich nur etwa 1’700 Geschmacksknospen und somit vier mal weniger als wir. Das ist könnte auch der Grund dafür sein, dass er sich beim Fressen mehr auf seinen Geruchsinn als die Zunge verlässt.
Aber unabhängig davon, wo Jemand etwas schmeckt oder wie viele Rezeptoren ihm zur Verfügung stehen, ohne Geruchssinn geht nichts. Denn ohne Geruchssinn schmecken wir nichts. Du kannst es gerne mal ausprobieren, indem du dir die Nase während des Essens zuhältst.
Dieses stärkere Verlassen auf den Geruch kannst du auch für deine Belohnungen nutzen: Mische dazu gesunden Leckerchen (z.B. dein normales Futter) mit Würstchen, Käse und Co. Dadurch riechen auch deine Trockenkekse leckerer.
Oder aber du gibst einen Teil deines Futters in ein Glas und legst ein Säckchen mit Käse, Speck oder sonst etwas kräftig riechendes für eine Weile dazu, so dass sich nur der Geruch vermischt. Gerade Letzteres ist für Hunde, die nicht alles fressen dürfen, sehr praktisch.
DIE ENTWICKLUNG DES GESCHMACKSINNS
Bereits im Mutterleib entwickeln sich beim Hund die ersten Geschmacksvorlieben. Aber eine noch wichtigere Rolle spielt, was der Hund anschliessend in seinen ersten Lebensmonaten zu fressen bekommt.
Je mehr er in der Zeit kennenlernt, desto einfacher fällt es ihm später, sich auf Veränderungen beim Futter einzustellen. Je einseitiger die Ernährung ist, desto desto kritischer wird er später auf Futterumstellungen reagieren. Gerade bei Hunden von der Strasse erlebt man dies öfters.
Manche Hunde verweigern aber auch ein bestimmtes Futter oder Futterbestandteile, weil sie spüren, dass es ihnen nicht bekommt. Dann zwing deinen Hund nicht dazu, dieses zu fressen.
Und denk auch immer an Schmerzen in den Zähnen, wenn er plötzlich nicht mehr fressen mag.
GESCHMACKSVERMEIDUNGSLERNEN

Vielleicht hast du es auch schon erlebt, dass dir schlecht wurde, nachdem du etwas Neues gegessen hast. Danach hast du so eine Aversionen dagegen entwickelt, dass du es nicht einmal mehr riechen, geschweige denn essen mochtest. Selbst wenn du wusstest, dass dieses eigentlich nichts für deine Übelkeit konnte.
Nicht anders geht es unseren Hunden, wenn ihnen kurz nach dem Fressen schlecht wird oder Schmerzen auftreten.
Bei Hunden, die länger unter Magen-/Darmproblemen leiden, kann dies sogar dazu führen, dass Essen auch später ein Thema bleibt oder dass sie das Futter aus dieser Zeit verweigern.
Oft fressen Hunde auch im Alter schlechter. Dies hängt sicherlich damit zusammen, dass sie sich weniger bewegen und dadurch weniger Hunger haben.
Aber noch mehr, dass sich im Alter die Anzahl der Geschmacksrezeptoren nochmals verringert und sich auch der Geruchsinn verändert. Da hilft es, den Geruch des Futters durch Erwärmen oder Hinzufügen von Knochenbrühe oder sonst etwas intensiv Riechendem zu verstärken.
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