Die klassische Konditionierung ist Freund und Feind zugleich. Denn genauso schnell, wie sie dem Hund erwünschtes Verhalten beibringt, lehrt sie ihn auch unerwünschtes.
Die klassische Konditionierung besagt erst einmal, dass ein System lernt, auf einen Reiz eine bestimmte in der Regel unbewusste Reaktion folgen zu lassen: Eine Fliege nähert sich deinem Auge, worauf sich dieses sofort schliesst. Oder du bremst beim Autofahren ohne nachzudenken, weil eine Gefahr vor dir auftaucht. Sie wird daher auch als Reiz-Reaktions-Muster bezeichnet.
Dieses Prinzip können wir uns auch beim Training mit unseren Hunden zu nutze machen, so dass er lernt auf einen Reiz (Geräusch, Wort, Handlung…) eine bestimmte Handlung auszuführen. Ich nenne es bei unseren Hunden daher gerne auch eine Signal-Verhaltens-Verknüpfung.
Aber erst einmal etwas Theorie 🙂
PAWLOW ENTKOMMST DU NICHT

Es war Pawlow, ein russischer Physiologe und Nobelpreisträger (1849 bis 1936), der das Prinzip der klassischen Konditionierung entdeckte.
Während eines Experimentes zum Speichelflusses des Hundes bemerkte Pawlow, dass die Hunde schon zu speicheln begannen, wenn sie den leeren Napf sahen. Um seine Beobachtung zu überprüfen, erweiterte er den Versuch und liess seine Mitarbeiter jedes Mal eine Glocke läuten bevor es Futter gab.
Und tatsächlich. Es dauerte es nicht lange bis die Hunde schon beim Klang der Glocke zu speicheln begannen ohne dass Futter oder Napf zu sehen waren. Sie hatten die Verknüpfung von der Glocke zum gleich folgenden Futter gemacht.
Im Video rechts findest du noch einmal den gesamten Versuchsaufbau. Aber ganz so angenehm wie dort war es für die Hunde im Experiment nicht wie das Bild von Jason zeigt.

Um den Speichel zu sammeln, wurde den Hunden ein Schlauch durch ein Loch im Kopf/Hals? eingesetzt über den der Speichel gesammelt wurde. Jules Howard berichtet in seinem Vortrag, dass so bis zu 6000 Liter jährlich zusammenkamen. Pawlow füllte diesen anschliessend in Flaschen ab und verkaufte sie als Kur bei Dysepsie und finanzierte damit letztendlich auch seine Forschung.
DIE KLASSISCHE KONDITIONIERUNG BEGEGNET DIR IMMER WIEDER
Genau das gleiche Prinzip funktioniert auch bei vielen anderen körperlichen Reaktionen und Verhaltensweisen.
REIZ | DARAUF FOLGENDE KONSEQUENZ | REAKTION DES HUNDES AUF DEN REIZ |
Du pfeifst/ gibst dein Rückrufsignal | Du wirfst Kekse hinter dich | Dein Hund läuft zu dir |
Du nimmst die Leine vom Haken | Du öffnest die Tür | Dein Hund läuft zur Tür |
Öffnen der Kühlschranktür | Der Hund wird gefüttert | Dein Hund kommt in die Küche |
Du nimmst das Tuch in die Hand | Der Hund wird abgetrocknet | Dein Hund versteckt sich |
Fremder Hund taucht auf | Hund wird zurückgezogen | Hund reagiert mit Bellen |
Schon bald reicht das Ertönen der Pfeife, dass der Hund zu dir kommt oder dass du die Kühlschranktür öffnest, damit dein Hund in der Küche steht.
Und deshalb: Pawlow blickt dir immer über die Schulter und begleitet dich im Training und Alltag 🙂
DIE KLASSISCHE KONDITIONIERUNG IM TRAINING
Bei der Klassischen Konditionierung findet der Lernprozess unbewusst statt. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen ist diese Art des Lernens sehr effektiv. Und sie ist gleichzeitig ein toller Türöffner für viele Signale und Verhalten, wenn dem Reiz eine positive Konsequenz folgt:
- Das Markerwort
- Die Positionsmarker
- Der Hundename
- Das Aufmerksamkeitssignal
- Das Rückrufsignal
- Die Hundepfeife
- Das Barrieretraining
- Das Entspannungssignal
- Das Stoppsignal
- etc.
Im Video links findest du ein Beispiel für den Aufbau des Markersignal über die klassische Konditionierung
Trainierst du dazu noch das Signal in idealer Trainingssituation und mit hochbelohnten Wiederholungen, wird dein Hund schon bald reflexartig darauf reagieren.
Sobald die Verknüpfung zwischen Signal und Reaktion stattgefunden hat, kannst du die Reaktion mit Hilfe der operante Konditionierung in ein bewusstes Verhalten überführen.
NEGATIVE AUSWIRKUNGEN DER KLASSISCHEN KONDITIONIERUNG
Weil im Training aber auch immer Gefühle beteiligt sind, löst natürlich auch die klassische Konditionierung Emotionen bei deinem Hund aus. Diese können sich gut oder schlecht anfühlen, je nachdem wie unsere Handlung bzw. die Konsequenz aussieht, die dem Reiz folgt.
Bei den obigen Trainingsbeispielen folgte dem Reiz immer eine positive Konsequenz. Hier einige bei denen es zu negativen Verknüpfungen kommen kann:
- dein Hund hört das Surren einer Wespe und wird gleich darauf gestochen
- ein fremder Hund kommt um die Ecke und du ziehst deinen Hund am Halsband zurück
- der Wind schlägt eine Türe zu und dein Hund erschrickt sich
Je heftiger und schmerzhafter das jeweiligen Erlebnis ist, desto schneller ist der Reiz verknüpft. Je nach Intensität und Typ Hund genügen schon eine bis wenige Wiederholungen und das Surren der Wespe oder ein auftauchender Hund wird zum Ankündiger von etwas Unangenehmen.
SO BITTE NICHT!
Leider machen sich immer noch diverse Trainer und Hundehalter die negativen Konsequenzen zu Nutzen und nennen ihren Trainingsansatz dann oft noch „Wir konditionieren nicht, wir kommunizieren„
REIZ | DARAUF FOLGENDE KONSEQUENZ | REAKTION DES HUNDES AUF DEN REIZ |
Mensch sagt „Gssssch“ | Seine Hand stösst gegen den Hund | Hund unterbricht Verhalten |
Mensch spannt sich an & dreht sich gegen den Hund ein | Mensch bedrängt den Hund / läuft in ihn rein | Hund weicht zurück |
Mensch nimmt Wasserflasche | Der Hund wird nassgespritzt | Hund unterbricht sein Verhalten |

Ja, das funktioniert und erst noch relativ schnell!
Denn genau das ist die Stärke der Klassische Konditionierung. Sie lässt sehr schnell eine starke Signal-Verhaltens-Kette entstehen – erst recht, wenn die Konsequenz sehr unangenehm ist.
Und bald reicht es, wenn der Besitzer sich anspannt, dass der Hund zurück geht – der Hund hat das Signal gelernt.
Beispiele dazu kennt man ja zu Genüge aus dem TV, wo der Hund wie von Zauberhand reagiert sobald das „Gsssch“ erklingt. Dass das Signal zuvor über Klassische Konditionierung und mehrfachen Wiederholungen konditioniert wurde, wird nicht erwähnt.
Aber möchtest du tatsächlich dass dein Hund beim Anblick der Wasserflasche oder deiner erhobenen Hand ins Meideverhalten geht? Denn genau das ist es, der Hund meidet die Konsequenz ohne dass er lernt was er „falsch“ gemacht hat.
THERAPEUTISCHER EINSATZ DER KLASSISCHEN KONDITIONIERUNG
Die klassische Konditionierung ist aber auch ein ganz wichtiges Element bei der Gegenkonditionierung. Denn durch sie wird der Reiz (Auslöser) neu als Ankündiger für etwas Tolles belegt:
- jedes Mal wenn irgendein Hund auftaucht, gibt es seine Lieblinglingsleckerli auf der Wiese
- immer wenn dein Hund angebellt wird, bekommt er einen Click und eine tolle Belohnung
- immer wenn ein Joggerauftaucht, bekommt der Hund einen Keks am Wegrand
Je höherwertig dabei die Belohnung ist, desto besser gelingt die Gegenkonditionierung. Denn die Waagschale senkt sich immer mehr in Richtung positiver Emotionen.
GENERALISIEREN DER SIGNALE
Mit der Verknüpfung des Signals mit einer Reaktion auf dem Hundeplatz oder Zuhause alleine ist es jedoch noch nicht getan. Dein Hund hat dort zwar ein Signal mit einem bestimmten Verhalten verknüpft. Aber nun muss er noch lernen, dass das Signal auch an anderen Orten, mit mehr Ablenkungen oder wenn du dich anders bewegst, die gleiche Reaktion bewirken sollte. Dieses weiterführende Lernen nennt man generalisieren.
WIEDERAUFLADEN DER SIGNALE
Signale können sich mit der Zeit abnutzen. Oder sie geraten bei Weniggebrauch in Vergessenheit. Auch hier hilft die klassische Konditionierung.
Denn wie beim Aufbau übst die Signale einfach zwischendurch ganz ohne Ablenkung und mit hochwertigen Belohnungen. Und schon sind die Erinnerungen an die guten Gefühle wieder da.
DIE MACHT DER KLASSISCHEN KONDITIONIERUNG
DAS KLEINHIRN ÜBERNIMMT
Im Idealfall folgt bei der klassischen Konditionierung (KK) nach dem Reiz immer die entsprechende Konsequenz. Dadurch wird dieses Signal-Verhaltens-Muster sehr zuverlässig erlernt und ist auch recht resistent gegen Löschung. Selbst dann, wenn der Reiz lange nicht mehr in Erscheinung tritt oder weniger oft belohnt wird. Nur wenn es NIE mehr belohnt wird, geht es eines Tages verloren.
Neben der zuverlässigen Konsequenz kommt hinzu, dass das Gelernte durch die Gleichmässigkeit der Wiederholungen schnell im Kleinhirn abgespeichert wird. Und Dinge, die im Kleinhirn abgespeichert sind, werden fast schon automatisiert ausgeführt, da es den Denkprozess des Grosshirns umgeht. Das Gleiche passiert bei uns übrigens beim Autofahren. Da müssen wir uns später auch nicht mehr überlegen wo sich Gas und Bremse befinden.
Das ist natürlich toll, wenn es sich um die erwünschten Verhalten deines Hundes handelt. Aber leider macht das Gesagte auch vor den Unerwünschten nicht halt. Und auch hier sitzt dann dieses Verhalten natürlich sehr fest und es braucht viele, viele, viele kleine Teilschritte bis sich die Verbindung Reiz und Reaktion wieder löst.
Und weil es gerade beim Training über negative Konsequenzen aber auch im Alltag immer wieder zu Belohnungsmomenten von unerwünschtem Verhalten kommt, ist hier das Lösen der Verbindungen noch viel schwieriger. Da ist es doch viel einfacher, dem Hund ein erwünschte Verhalten beizubringen, statt ihn für unerwünschtes zu korrigieren:
- Die Leine kommt vom Haken –> der Hund geht auf ein Target und setzt sich dort hin
- Ein anderer Hund erscheint –> der Hund macht einen Handtouch
Mach dir die Klassische Konditionierung zu deinem Freund und Helfer und du wirst viele tolle Lernerfahrungen erleben!
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Weiterführende Artikel
- Die operante Konditionierung
- Generelles zur Lerntheorie und über Belohnungen und Strafen
- Die Klassische Konditionierung – dein Freund und Helfer
Weiterführende Artikel zu diesem Thema:
- Belohnungen im Hundetraining
- Strafen im Hundetraining
- Die Belohnungshierarchie deines Hundes
- Was es mit dem Ignorieren auf sich hat
© 2016 (überarbeitet 2020) – Teamschule – Monika Oberli
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