Gewalt und Strafen fangen dort an, wo Wissen und Können des Menschen aufhören.
Und nicht zu vergessen – Strafen machen auch mit dem Strafenden ganz viel!
Strafen sollen einem Hund zeigen, dass bestimmte Verhalten unerwünscht sind, damit er diese zukünftig unterlässt. Nicht immer wird offen über Strafen gesprochen, sondern von „Korrektur“ oder „Einwirkung“. Auch unter „Wir konditionieren nicht…“ oder „Wir arbeiten über Körpersprache“ verbirgt sich oft nichts anderes.
Aber egal was und wie wir lernen, Konditionierung ist immer ein Teil davon. Deshalb schau genau hin und achte dich auf die Reaktion deines Hundes, denn sein Verhalten zeigt dir, ob mit Verstärkern oder Strafe gearbeitet wird.
STRAFEN DÜRFEN NICHT WILLKÜRLICH SEIN
Damit Strafen auch den gewünschten Erfolg haben, müssen dabei die folgenden Regeln zu 100% erfüllt sein:
- du bestrafst deinen Hund bei jedem Auftreten des unerwünschte Verhaltens
Wenn nicht, ist es für ihn nicht klar, dass es immer verboten ist
. - du bestrafst deinen Hund bevor er das unerwünschten Verhalten ausführt
Bist du zu spät, ist er schon an dir hochgesprungen oder hat bereits an der Leine gezogen
.
- du bestrafst ihn so stark, dass er das Verhalten sofort stoppt, aber nicht so, dass er zusammenbricht
Ist die Einwirkung zu schwach, erfolgt eine Gewöhnung und du musst immer stärker strafen
.
- du stellst sicher, dass der Strafe keine positive Verstärkung (Belohnung) folgt
Dein Hund zieht an der Leine. Deswegen muss er nun ein paar Meter neben dir laufen bevor du ihn wieder freigibst (=Belohnung)
.
- du kündigst die Strafe vorher an, damit dein Hund die Chance hat, die Strafe zu vermeiden
Irgendwann reicht dann das Kssch oder deine Körperspannung, dass er sein Verhalten stoppt
.
- du löst deine Strafe sofort auf, sobald der Hund sich richtig verhält
Dein Hund kennt das Prinzip des Nachtragens nicht. Und auch nicht, weshalb du weiter angespannt bist, obwohl er schon längst sitzt
Aber selbst wenn du es schaffst, diese Regeln zuverlässig einzuhalten, hast du noch nicht alle Gefahren umschifft. Denn du musst auch sicherstellen, dass dein Hund die Strafe tatsächlich mit sich und seinem Verhalten verbindet und nicht zum Beispiel mit einem anwesenden Hund oder einem Kind, dass gerade vorbei rennt … welche er dann für das unangenehme / schmerzende Gefühl verantwortlich macht.
Und damit nicht genug: Nach der Strafe weiss dein Hund noch nicht, was er stattdessen tun soll und muss dies erst durch Versuch und Irrtum herausfinden. Und auch hier musst du dann wieder alle Fehlversuche rechtzeitig unterbinden.
Wie viel einfacher wäre es da doch, ihm einfach zu zeigen, was er tun soll und ihn für das Richtige zu belohnen. Aber halt, wir sind ja beim Thema „Strafen“. Deshalb lass uns anschauen, welche Arten von Strafen es gibt.
DIE POSITIVE STRAFE
Die positive Strafe heisst so, weil dabei mathematisch gesehen etwas hinzugefügt wird. Und da wir uns im Strafbereich befinden, ist dieses etwas für den Hund Unangenehmes, Schmerzhaftes oder Angstmachendes wie
- Leinenrupfen, Anrempeln, Bedrängen, drohende Körperhaltung, Zwicken, Bewerfen …
- Zischen, Werfen von Rütteldosen, Discscheiben, Anschreien…
Diese Form von Strafe wird deshalb auch beängstigende oder schmerzende Strafe genannt.
Auch wenn dein Hund dir vielleicht gerade den letzten Nerv raubt, hat er es dann wirklich verdient so behandelt zu werden?
Und doch wird vermutlich Niemand von sich behaupten können, dass er die positive Strafe nicht schon angewandt hat. Auch wenn er sich dessen in dem Moment nicht bewusst war wie…
- Ein fremder Hund biegt unmittelbar vor euch in die Strasse ein. Vor lauter Schreck, nimmst du die Leine kürzer und ziehst deinen Hund zu dir
- Dein Hund setzt sich nicht gleich beim ersten Signal hin. Deshalb machst du einen Schritt auf ihn zu…und siehe da, er sitzt
- dein Hund will etwas fressen. Du sagst laut Nein und gehst einen Schritt auf ihn zu, um es ihm wegzunehmen
Deshalb gib gut acht, was du tust, um deinen Hund nicht unbeabsichtigt zu strafen.
DIE NEGATIVE STRAFE
Diese Strafe wird auch frustrierende Strafe genannt, weil sie etwas Wünschenswertes vorenthält oder Erwartungen nicht erfüllt:
- Dein Hund führt eine Übung nicht schnell genug aus, deshalb gibst du ihm nicht den erwarteten Keks
- Dein Hund kommt nach dem Rückruf langsamer als erwartet, deshalb darf er nicht mehr frei laufen
- Dein Hund stupst dich an, weil er etwas von dir möchte. Du schickst ihn auf seinen Platz
- Weil dein Hund auf den Rückruf nicht kommt, lockst du ihn mit seinem Ball. Als er jedoch bei dir ist, versorgst du diesen gleich wieder
Ja, auch diese Form der Strafe funktioniert. Dies jedoch um den Preis, dass Spass und Vertrauen verloren gehen können.
Aber wie bei der positiven Strafe sind wir alle nicht davor geschützt, sie unbewusst zu verwenden:
- Dein Hund kommt nach dem Abruf zu dir und wird von dir gestreichelt. Dabei mag er dies in dem Moment überhaupt nicht
- Dein Hund erwartet für seine tolle Leistung ein super Leckerchen, bekommt aber nur einen trockenen Keks
- Dein Hund entdeckt eine Katze, aber statt ihr nachzujagen kommt er zu dir und du übersiehst es
GENERELLE RISIKEN VON STRAFEN
- Eine Strafe ändert weder die Motivation noch die Bedürfnisse, die hinter einem Verhalten stehen
- Eine Strafe unterdrückt ein Verhalten, der Wunsch danach jedoch bleibt
- Eine Strafe hemmt Verhalten, manchmal auch die erwünschten
- Eine Gewöhnung ist schwer zu vermeiden und zwingt dich, die Strafe zu erhöhen
- Die Gefahr von Fehlverknüpfungen ist hoch
- Die meisten Strafen kommen zu spät und so wird der Hund für das folgende gute Verhalten bestraft
- Strafen gehen manchmal „vergessen“
Strafen sind immer mit Emotionen verbunden, denn sie
- führen zu Angst, Stress, Frust, Aggression oder Resignation
- machen hilflos und schwächen das Selbstwertgefühl
- beeinträchtigen das Vertrauen und die Beziehung
Strafen lohnen sich für den Strafenden
- Der Strafende kann damit seine Frustration abbauen
- Der Strafende wird belohnt, da der Hund im Moment der Strafe sein Verhalten kurz unterbricht
Und weil damit das Verhalten des Strafenden verstärkt wird, wird er immer häufiger darauf zurückgreifen
STRAFEN IM POSITIVEN TRAINING
In einem Notfall wird jeder positiv arbeitende Hundehalter seinen Hund an der Leine zurückziehen oder ihn durch eine Körperblockade daran hindern, auf die Strasse zu laufen oder einen anderen Hund zu beissen. Dies aber nie mit der Absicht den Hund zu strafen.
Aber weder im Normalfall und erst recht nicht im Training wird eine positive Strafe bewusst zur Anwendung kommen. Die negative Strafe hingegen hat durchaus ihre Berechtigung, aber nur wenn die folgenden Regeln eingehalten sind:
- Der Hund weiss sicher, was von ihm erwartet wird bzw. kennt gute Alternativen
- Der Hund kann in der Situation das Gewünschte zeigen
- Die negative Strafe kommt nur selten und kurz zum Einsatz
- Dass dabei die Frustration so gering wie möglich gehalten wird
Hier einige Beispiele für eine mögliche Anwendung:
- Der Hund führt ein Signal wie gewünscht aus, aber vielleicht erst beim 2. Mal. Deshalb bekommt er statt des Keks ein tolles Lob und gleich darauf die Chance, es besser zu machen
- Der Hund kommt auf den Rückruf, macht aber vorher noch einen Besuch beim Hund unterwegs – statt des geworfenen Keks gibt es diesen direkt aus der Hand
- Der Hund führt eine Übung super toll aus und bekommt dafür eine mega Belohnung. Beim nächsten Mal ist sie nicht ganz so gut und so gibt es einen einfachen Keks
Ist der Hund aber gar nicht in der Lage, das Geforderte in der Top-Ausführung zu leisten (noch nicht gelernt, Ablenkung zu gross., ..), bekommt er auch dann eine tolle Belohnung, wenn er erst beim 2. oder 3. Rufen kommt. Denn schliesslich soll er ja lernen, dass sich das Zurückkommen immer lohnt.
Positive Strafen sind nicht nur unschön, sie sind auch nicht notwendig um deinen Hund auszubilden und zu erziehen. Es ist aber genauso wenig sinnvoll „den Hund einfach mal machen zu lassen“. Deshalb wähle den Weg des achtsamen und bedürfnisorientierten Trainings, welches vorallem mit Verstärkern arbeitet.
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© 2016 (überarbeitet 2021) – Teamschule – Monika Oberli
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