Von Wattebauschwerfern und Gewalt(anwendern) – Teil 1

Ich habe obigen Titel ganz bewusst gewählt. Denn sobald das erste Mal das Wort „Strafe“ auftaucht, braucht man nicht lange auf die Begriffe „Gewalt“ und „Wattebauschwerfer“ zu warten. Und schon ist eine sachliche und inhaltbezogene Disukission im Keime erstickt.

Alle Bilder in diesem Artikel sind mit KI erstellt und zum Teil mit Photoshop angepasst und erweitert.

Auch im Netz und in Zeitschriften erscheinen regelmässig Beiträge, die dem positiven Training* ein Funktionieren absprechen – zumindest wenn es um harte oder eigenständige Hunde geht (was auch immer darunter verstanden wird).

Dies nutzen die Autoren und Autorinnen dann auch dazu, ihre Trainingsphilosophie zu rechtertigen, welche einschüchternde, schmerzhafte oder bedrohliche Handlungen nicht ablehnt.

* wobei wir es lieber belohnungsbasiertes und bedürfnisorientiertes Training nennen. Trotzdem werde ich der Einfachheit zuliebe nachfolgend bei diesem Begriff bleiben.

So auch dieser Artikel, welcher leider in vielen Facebook-Gruppen und -profilen regelmässig geteilt und geliked wird: „Die moderne Hundeerziehung…“. Kritische Fragen unter diesen Beiträgen hingegen sind nicht erwünscht und werden bei Facebook bei vielen meist umgehend gelöscht und die entsprechende Person geblockt.

Er steht beispielhaft für all die anderen, welche pseudowissenschaftlich beschreiben, was die Autoren/Autorinnen unter positivem Training verstehen und weshalb es in ihren Augen nicht funktionieren oder sogar schädlich sein kann. Dass sie damit bewusst ein völlig falsches Bild vom positiven Training entstehen lassen, werde ich anhand von Zitaten aus obigem Artikel aufzeigen.

Es gäbe noch viel mehr, das kritisch hinterfragt werden könnte, dann hätte der Beitrag jedoch gar kein Ende gefunden. Aber nun zu den ersten 5 aus dieser Serie.


ZITAT: Er (der Junge) hört mit dem Schlagen auf. In dem Moment ertönt ein lautes „Suuuupeeeeeeer Feiiiiiiiiiiiiin“

Damit soll ausgesagt werden, dass im positiven Training unerwünschtes Verhalten so langen laufen gelassen wird, bis der Hund ein Verhalten zeigt, das man belohnen kann.

Aber genauso geht positives Training eben nicht! Im positiven Training belohnen wir entweder Verhalten bevor der Hund etwas „Falsches“ tut oder wir sorgen durch Management wie Schleppleine, passende Distanzen, ideale Spaziergebiete dafür, dass es möglichst nicht zu Situationen kommt, wo der Hund noch nicht wie gewünscht reagieren kann.

Parallel dazu üben wir mit ihnen neue Verhaltensstrategien ein, die sich erst noch besser anfühlen als die viele unerwünschte.

Auch sehen wir es nicht ein, weshalb wir unsere Hunde unnötigem Stress oder Frust aussetzen sollen. Sie müssen ja bereits im Alltag einiges bewältigen, das wir nicht verhindern können oder wollen. Wir möchten aber auch nicht, dass der Hund Unerwünschtes immer und immer wieder einübt oder dass gar unerwünschte Verhaltensketten entstehen: erst haue ich dem anderen auf den Kopf und dann hole ich mir einen Keks.

Wir werden den Hund aber nicht für ein Verhalten bestrafen, für das es in seinen Augen Gründe gab. Genau wie auch Kevin in ihrem Beispiel seine hatte. Nur müssen beide lernen, dass sie Probleme und Schwierigkeiten auch anders als mit Gewalt lösen können.


ZITAT: Berufen wird sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse und die Haltung der völligen Ablehnung von Gewalt

Das ist richtig. Denn welchen Grund soll es für den Einsatz von Gewalt geben, wenn Hunde und andere Lebewesen auch sehr gut ohne diese ausgebildet und erzogen werden können?

Deshalb lehnen wir alles ab, was sich für ein Lebewesen unangenehm, einschüchternd oder schmerzhaft anfühlt, erst recht, wenn es ihm bewusst zugefügt wird.

Dazu zählen sowohl die physischen als auch die psychischen Einwirkungen wie bedrohliche Körperhaltungen, Isolation, Futterentzug, damit der Hund mitarbeitet… Wobei gerade die psychische Gewalt meist so subtil daherkommt oder nur Zuhause vorkommt, dass sie von Vielen gar nicht wahrgenommen wird. Aber wer genau hinschaut, erkennt anhand der Körpersprache des Hundes wie sehr sie ihn belasten.

Besonders interessant bei diesem Zitat ist aber auch, dass Hundehalter und Trainer, welche mit Korrekturen und Strafen arbeiten, den Gewaltbegriff wie die Autorin hier weit von sich weisen, aber gleichzeitig den positiv Arbeitenden vorwerfen, dass sie Gewalt ablehnen.

Neuere Studien zeigen übrigens immer deutlicher, welch negativen Konsequenzen ein aversives Training haben kann. Denn wie man miteinander umgeht, hat unmittelbaren Einfluss auf Verhalten und das soziale Zusammenleben und letzendlich auch auf das Bindungsverhalten (sicher oder ambivalent/unsicher gebunden).


ZITAT: Hunde werden ausschließlich mit positiven Verstärkern (sprich Lob, Spiel, Futter oder was der Hund sonst so gerne macht) erzogen

Richtig ist: Im positiven Training arbeiten wir so oft wie möglich mit positiven Verstärkern (Belohnungen). Denn nur so hat der Hund eine reelle Chance, zu verstehen was wir oder das Umfeld von ihm erwarten.

Falsch ist hingegen, dass gute, positiv arbeitende Trainer und Hundehalter nur damit arbeiten. Das wäre nicht nur unrealistisch, das positive Training würde auch um viele Möglichkeiten ärmer.

Denn wie sonst soll eine gut gemachte Gegenkonditionierung funktionieren, wenn sie nicht sinnvolle negative Verstärker nutzt, die zur Erleichterung beim Hund führen.

Selbst negative Strafen können wir nicht immer verhindern. Denn wie oft übersehen wir gutes Verhalten und verunsichern und frustrieren damit Hunde, die am Anfang ihrer Ausbildung stehen. Auch eine falsche Belohnung oder das Unterbrechen von Verhalten kann frustrierend sein. Aber weil wir nett unterbrechen und den Frust abmildern, wirkt sich dies nicht auf die Beziehung zu unserem Hund aus.

Was du im positiven Training aber nicht finden wirst, sind bewusst angewandte positive Strafen oder einen Trainingsaufbau, bei dem sich der Hund mit grosser Wahrscheinlichkeit falsch verhalten muss, um ihm dann über Korrektur mitzuteilen, so nicht!

Aber natürlich werden wir im Notfall auch schnell nach dem Hund greifen, die Leine straff nehmen oder den Weg versperren, wenn wir dadurch Schlimmeres verhindern können. Das ist jedoch weder Training und schon gar nicht der Normalfall.

Ausserdem können wir auch dieses Handeln positiv aufbauen und so vermeiden, dass es zu weiteren unguten Gefühlen in der meist schon angespannten Situation kommt.


ZITAT: und bei jedem Verhalten soll ein Moment sein, den man verstärken kann, um das Verhalten modifizieren und kontrollieren zu können

Absolut richtig. Vor jedem unerwünschten Verhalten, findet sich mindestens ein guter Moment, den wir einfangen und verstärken können. Selbst wenn dieser zu Beginn vielleicht nur ganz kurz sehen ist.

Dazu zeigen unsere Hunde tagtäglich 1’000 erwünschte Verhalten, die wir leider allzu oft als selbstverständlich nehmen.

Genau hier setzt das positive Training an und belohnt gerade zu Beginn möglichst viele dieser Momente. So lohnen sich diese Verhalten und der Hund wird sich immer bewusster dafür entscheiden. Und auch wenn das Verhalten später weniger oft belohnt wird, bleibt es stabil, da es für den Hund zu einer Selbstverständlichkeit geworden ist.

Das hört sich vielleicht erst einmal anstrengend an. Da der Hund aber durch ein klares „das ist Richtig“ bald versteht was wir von ihm erwarten, stellen sich schnell Erfolge ein, die dazu motivieren weiterzumachen. Zudem tut das Achten auf das Gute auch dem Menschen gut und macht das Zusammenleben entspannter.

Aber auch das Trainieren mittels Korrekturen und Strafen ist nicht weniger aufwändig. Ganz im Gegenteil: Es muss ja jedes Fehlverhalten sanktioniert werden. Denn wird ein Verhalten nicht unterbrochen, bedeutet es für den Hund, dass es in dem Moment und der Situation erlaubt ist.

Und weil eine Korrektur keinerlei Information beinhaltet, was der Hund tun soll, kann es lange dauern bis er das erwünschte Verhalten zeigt. Denn es bleibt ihm nichts anderes übrig, als es über Versuch und Irrtum herauszufinden, was wiederum weitere Korrekturen bedeutet.


ZITAT: Wer will schon mit dem geliebten Familienmitglied schimpfen?

Abgesehen davon, dass Schimpfen keinem gut tut, was genau soll das Schimpfen bei einem Hund bewirken? Er wird zwar die negative Stimmung des Schimpfenden spüren und deshalb vielleicht eingeschüchtert mit seinem Verhalten aufhören. Er wird jedoch nicht verstehen, dass dein Handeln etwas mit seiner vergangenen Tat zu tun hat. Und schon gar nicht, wenn er im Nachhinein dafür geschimpft wird.

Wer beim Schimpfen ein Schuldverständnis erwartet, stellt den Hund auf die Stufe eines 6 bis 7 jährigen Kindes. Und er setzt voraus, dass sein Hund von sich aus versteht, was im menschlichen Zusammenleben erlaubt ist und was nicht.

Bestimmt hast du auch schon erlebt, dass dein Hund weg geht oder zumindest irritiert reagiert, wenn du mit Jemanden streitest. Auch hier spürt und reagiert dein Hund auf eine angespannte Stimmung, obwohl sie gar nicht ihm gilt. Siehe dazu auch diesen Artikel „Der weiss genau, was er getan hat

Deshalb schau genau hin, was sich in welcher Verpackung und hinter welchem Versprechen versteckt.

Hier geht es zu den nächsten Zitaten und was es damit auf sich hat.

Weitere Links zu diesem Thema:


© 2024 Monika Oberli, Teamschule.ch

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