Von Wattebauschwerfern und Gewalt(anwendern)

Ich habe diesen Titel ganz bewusst gewählt. Denn wie oft geschieht es, dass diese Begriffe fallen, sobald das erste Mal das Wort „Strafe“ auftaucht und damit eine sachliche Diskussion im Keime erstickt.

Leider tauchen im Netz auch regelmässig Beiträge auf, die dem positiven Training absprechen, dass es funktioniert – zumindest nicht wenn es sich um tafferen Hunde handeln soll. So wie auch in diesem Artikel hier, der in vielen Facebook-Gruppen und -profilen geteilt wurde: „Die moderne Hundeerziehung…“

Der verlinkte Artikel steht für viele andere, welche versuchen pseudowissenschaftlich aufzuzeigen, weshalb positives Training in vielen Fällen nicht funktioniert und in manchen sogar schadet. Auf einige Aussagen daraus möchte ich nachfolgend eingehen und zeigen was es damit auf sich hat.

ZITAT: Er hört mit dem Schlagen auf. In dem Moment ertönt ein lautes „Suuuupeeeeeeer Feiiiiiiiiiiiiin“

Hier soll ausgesagt werden, dass im positiven Training darauf gewartet wird, dass der Hund ein Verhalten zeigt, das man belohnen kann, während er etwas Unerwünschtes tut.

Aber genauso geht positives Training* nicht! Denn das positive Training belohnt Verhalten bevor der Hund etwas „Falsches“ tut und bietet ihm gute Alternativen an oder nutzt Management-Massnahmen, so dass es gar nicht erst zum unerwünschten Verhalten kommt.

* wobei es heute bessere Bezeichnungen gibt wie zum Beispiel bedürfnisgerechtes und achtsames Training für Mensch und Hund. Trotzdem werde ich nachfolgend bei diesem Begriff bleiben

Aber weil auch wir positiv arbeitenden Hundehalter und Trainer nicht alles im Alltag planen und steuern können, bauen wir Signale auf, mit denen wir den Hund nett aus unguten Verhalten holen können. Denn auch wir möchten uns keine Verhaltensketten aufbauen, bei der der Hund lernt, erst das unerwünschte Verhalten auszuführen, um für das Aufhören belohnt zu werden.

Wir werden den Hund aber sicherlich nicht dafür bestrafen. Denn der Hund hat in dem Moment einen triftigen Grund für sein Handeln.

ZITAT: Berufen wird sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse und die Haltung der völligen Ablehnung von Gewalt.

Das ist richtig. Denn welchen Grund soll es für den Einsatz von Gewalt geben?

Zumal ja auch praktisch Alle, die Korrekturen in ihrem Training nutzen, immer wieder darauf hinweisen, dass sie korrigieren, aber keine Gewalt anwenden. Weshalb wird der Verzicht auf Gewalt dann dem positiven Training vorgeworfen?

ZITAT: Hunde werden ausschließlich mit positiven Verstärkern (sprich Lob, Spiel, Futter oder was der Hund sonst so gerne macht) erzogen.

Richtig ist: Im positiven Training arbeiten wir so oft wie möglich mit positiven Verstärkern. Denn nur so hat der Hund eine reelle Chance, zu verstehen was wir oder das Umfeld von ihm wünschen.

Nicht wahr ist hingegen, dass ein guter positiv arbeitender Hundehalter oder Trainer ausschliesslich diesen Quadranten nutzt. Das wäre nicht nur unrealistisch, das positive Training würde auch um viele Möglichkeiten ärmer.

Denn wie sonst soll eine gut gemachte Gegenkonditionierung funktionieren, wenn nicht über die negative Verstärkung. Selbst die negative Strafe können und wollen wir nicht ganz ausser Acht lassen. Sei es unbewusst, weil wir im Alltag ein tolles Verhalten, welches der Hund gerade lernt, übersehen haben oder bewusst, weil wir eine solala Ausführung nur loben und nicht auch noch durch eine tolle Belohnung verstärken.

Was du im positiven Training aber nicht finden wirst, sind bewusst herbei geführte Fehlverhalten, für das der Hund dann korrigiert wird.

Aber natürlich werden wir im Notfall auch nach dem Hund greifen, die Leine straff nehmen oder den Weg versperren, wenn wir dadurch Schlimmeres verhindert können. Das ist jedoch weder Training und schon gar nicht der Normalfall. Ausserdem können wir dieses Handeln ebenfalls positiv aufbauen und so vermeiden, dass wir dadurch weitere ungute Gefühle zur meist eh schon angespannten Situation hinzufügen.

ZITAT: und bei jedem Verhalten soll ein Moment sein, den man verstärken kann, um das Verhalten modifizieren und kontrollieren zu können.

Absolut richtig. Denn jeder Hund zeigt tagtäglich 1’000 erwünschte Verhalten, die wir leider allzu oft als Selbstverständlichkeit nehmen. Und genau hier setzt das positive Training an: Es verstärkt die guten Verhalten, die es vor jedem „unerwünschten“ zu sehen gibt. Und dies unter steigendem Ablenkungs- und Schwierigkeitsgrad.

Und ja, das hört sich erst einmal aufwändig an. Aber ist das nicht auch bei den Korrekturen so, wenn ich jedes unerwünschte Verhalten sanktionieren muss? Denn einmal nicht korrigiert, wäre doch sonst belohnt.

Ausserdem: sobald der Hundehalter das erste Mal erlebt wie gut sich der positive Weg anfühlt und wie schnell sich damit Erfolge einstellen, wird ihm das Training so viel Spass machen, dass er gerne weitertrainiert. Denn es tut nicht nur dem Hund gut, sondern auch ihm selbst, sich auf das Gute zu fokussieren statt auf die Fehler.

Und sollte es doch einmal zu unerwünschtem Verhalten kommen, wird er seinen Hund mit Signalen in seinem Verhalten unterbrechen können, die er vorgängig mit positiven Verstärkern aufgebaut hat. Mehr dazu im Artikel „Abbruchsignale – unerwünscht

ZITAT: Wer will schon mit dem geliebten Familienmitglied schimpfen?

Abgesehen, dass Schimpfen keinem gut tut, was genau soll das Schimpfen bei deinem Hund bewirken? Hat er damit wirklich verstanden, dass er die Ursache für das Schimpfen ist und noch mehr weshalb du es tust? Denn stoppt er sein Verhalten nicht einfach nur deshalb, weil er der unguten Konsequenz entgeht, welche sonst auf das Schimpfen folgen würde?

Und bestimmt hast du auch schon erlebt, dass dein Hund weggeht oder zumindest eigenartig reagiert, wenn du mit jemand Anderem streitest? Auch hier spürt und reagiert dein Hund auf die angespannte Stimmung, ohne dass diese diesmal ihm gilt. Siehe dazu auch diesen Artikel „Der weiss genau, was er getan hat

ZITAT: …ein Totschlag-Argument, denn die Wissenschaft hat doch immer Recht. Wenn man etwas von wissenschaftlichen Arbeiten weiß, gilt dieses Argument dagegen nicht mehr.

Das ist richtig. Deshalb ist einem guten Wissenschaftler auch bewusst, dass das, was er heute weiss, durch neue Forschungsergebnisse und Techniken erweitert oder revidiert werden könnte.

Das erleben wir ja auch bei der Verhaltensforschung an unseren Hunden immer wieder. Denn noch nie wurde so umfassend und an vielen Orten das Verhalten der Hund untersucht wie heute. Dadurch lernen wir täglich mehr über ihn und wie ähnlich er uns in vielen Dingen ist.

Selbst grosse Namen in der Verhaltensforschung haben immer wieder ihre früheren Erkenntnissen revidiert (man denke nur an Konrad Lorenz und Robert Mech).

Jedoch hat bis heute noch niemand die vier Quadranten und die daraus resultierenden Emotionen widerlegt. Denn egal ob im Training oder im sozialen Miteinander, positive und negative Konsequenzen beeinflussen unser Verhalten und unsere Emotionen und führen zu sicheren oder unsicheren Bindungen. Dabei spielt es erst einmal keine Rolle, ob die Konsequenzen aus der Umwelt, von uns oder intrinsisch (selbstbelohnend) stammen.

Auch der im Artikel erwähnte Udo Ganslosser negiert die Lerntheorie nicht. Und gerade bei ihm habe ich in unzähligen Stunden gelernt, Verhalten zu beobachten und nicht zu interpretieren. Um dann aus den gemachten Beobachtungen Rückschlüsse zu ziehen, diese zu überprüfen und ggf. zu revidieren.

ZITAT: Meide- und Stressverhalten wird in der modernen Hundeerziehung nicht mehr gerne gesehen….Somit soll er auch bloß nie in die Bedrängnis kommen zu „beschwichtigen“.

Ein Verhalten nur deswegen zu unterlassen, weil man Angst vor den Konsequenzen hat, fühlt sich für Niemanden gut an. Denn nur weil der Hund in einer Begegnung nicht bellt, heisst dies nicht, dass er sich in der Situation gut fühlt. Denn er hat vielleicht einfach noch mehr Angst vor dem, was sonst von seinem Menschen folgen könnte und zeigt deswegen Meideverhalten.

Und das ist ein Konflikt, den wir positiv Arbeitenden dem Hund nicht antun wollen. Genau so wenig wie ihn Stresssituationen auszusetzen, die nicht nötig sind und für die er noch keine Bewältigungsstrategien gelernt hat. Unsere Hund müssen sich innerhalb unseren Lebensbedingungen doch schon mit genügenden Stressoren und Reizen auseinandersetzen und lernen damit umzugehen.

Unwahr hingegen ist, dass wir Beschwichtungssignale vermeiden. Denn sie sind ein wichtiges Kommunikationsinstrument unserer Hunde und treten nicht nur in Konflikt- und Stresssituationen in auf sondern auch innerhalb vieler anderer Funktionskreise. So sind sie unter anderem auch in sozio-positiven Kontaktaufnahmen zu sehen.

Aus diesem Grund sind Beschwichtungssignale oder besser gesagt Calming Signals auch ein wichtiger Bestandteil im positiven Training. Denn sie sagen uns nicht nur, wie sich der Hunde gerade fühlt, sondern auch ob er in einer Begegnung unsere Unterstützung braucht oder es alleine schafft.

Und vor allem achtet der positiv arbeitende Hundehalter darauf, im Training möglichst keine Stress- und Meideverhalten aufkommen zu lassen. Denn die dabei vorhandenen Emotionen werden sich später im Alltag rächen.

Treten diese Signale hingegen im Alltag auf, wissen wir, dass der Hund nächstens an seine Grenzen kommt. Und gerade in Begegnungssituationen unterstützen und verstärkt wir bewusst alle Signale, die der Deeskalation und Selbstberuhigung dienen.

ZITAT: Bloch, der bei seiner Studie an verwilderten Haushunden gut zeigen konnte, dass so manches „Beschwichtigungssignal“ in den meisten Fällen einfach eine normale Geste ist

Nicht umsonst heisst es «Trau nur einer Statistik, die du selbst gefälscht hast». Denn Günther Bloch, bzw. die Frau, die diese Studie erstellt hat, hat ihre Beobachtung in einem fest umrissenen Gebiet, mit bekannten Gefahren und mit untereinander bekannten Hunden gemacht.

Zudem hat Turid Rugaas von Beginn an unter den Calming Signals nicht nur die Beschwichtigungssignale, sondern auch die Beruhigungssignale und Übersprungshandlungen beschrieben, wie zum Beispiel das in der Studie erwähnte Gähnen. Leider wurde Calming im Deutschen dann vereinfacht mit „Beschwichtung“ übersetzt.

Auch hat sie nie behauptet, dass diese Signale nur innerhalb der Beschwichtigungssignalen zu sehen ist. Denn selbstverständlich schnüffelt ein Hund auch einfach am Boden, weil es da gut riecht oder er gähnt, weil er müde ist. In der direkten Kommunikation sind es aber meist Gesten und Signale an das Gegenüber.

Über diesen Punkt habe ich an einem Seminar auch mit Günther Bloch diskutiert als die Studie frisch erschienen ist. Denn wer hat noch nie einen Hund gesehen, der innerhalb einer stressigen Situation gähnt ohne dass er müde ist. Daraufhin berichteten auch andere Teilnehmer, dass ihre Hunde auf dem Spaziergang manchmal Beschwichtigungssignale zeigen, obwohl kein anderer Hund in der Nähe ist. Sehr oft stellte sich dann später heraus, dass dort tatsächlich ein anderer Hund durchgegangen und seine Markierungen hinterlassen hat. Und so wissen wir zwar nicht immer, weshalb ein Hund Calming Signals zeigt, aber wenn, dann issen wir, dass ihn gerade etwas beschäftigt.

Günther Blochs Antwort am Ende der Diskussion war übrigens: Wenn mehrere Hundehalter das gleiche beobachten, ist es erst eine Anekdote, die dann später oft von der Wissenschaft bestätigt wird.

Dazu und zur folgenden Studie verlinke ich auch gerne diese Sendung von Mai Thi Nguyen-Kim „MaiThink X – Was ist Wissenschaft, was kann sie, was kann sie nicht?

ZITAT: Oder man denke an die Studie, bei der man heraus gefunden hat, dass ein Hund, der über Teletak und Stachelhalsband ein Abbruchsignal lernt, weniger Stress hat, als ein Hund der es nur positiv aufgebaut bekommen hat.

Und wenn man sich diese Studie ganz genau durchliest, erkennt man auch, wie viele Verfahrensfehler dabei gemacht wurden.

Zum einen wurden die einzelnen Techniken nicht gleich getestet. Während beim Marker und Stachelhalsband der Hundeführer die Signale gab, war es beim Teletakt ein Trainer, der aus der Beobachtungsposition den Stromreiz auslöste. Auch kannten alle am Test teilnehmenden Hunde das Stachelhalsband und den Teletakt aus ihrer Ausbildungen.

Den Aufbau des Abbruchsignals mit positiven Verstärkern und negativen Strafen kannten hingegen weder die Trainer noch die Hunde. Und so mussten nicht nur die Hunde sondern auch die Hunde diese Art des Trainings erst einmal lernen. Dabei ist aus der Studie auch nicht ersichtlich, wie offen die Trainer dafür waren. Hätte man hingegen mit Trainern gearbeitet, welche mit diesem Ansatz vertraut waren und auch in einem vergleichbaren Zeitraum trainiert wie bei den anderen Techniken, hätte das Resultat ziemlich sicher anders ausgesehen.

Zudem zeigen diverse Studien, wie viel effektiver und stressfreier ein belohnungsbasiertes Training ist wie zum Beispiel diese hier: https://www.companionanimalpsychology.com/2021/08/why-you-need-to-reward-your-dog-in.html

ZITAT: Fakt ist jedoch, dass Hunde es verstehen wenn wir sie anknurren, anstarren, uns groß machen oder mit dem Körper blocken. Hunde verhundlichen ihren Menschen permanent. 

Selbstverständlich verstehen sie dies. Aber: Wie wie reagieren wir, wenn unsere Hunde sich umgekehrt so verhalten, egal ob uns oder einem andern Lebewesen gegenüber? Finden wir es dann auch in Ordnung, weil, es ist ja hündisch. Oder unterbrichst du dann sein Verhalten nicht? Was ja durchaus legitim ist, denn diese Art der Auseinandersetzung bedeutet auch immer Stress für alle Beteiligten und es besteht das Risiko, dass es zu Verletzungen kommt. Und damit sind wir dann wieder bei der Frage, wie wir dieses Verhalten unterbrechen.

Hinzukommt, dass die oben genannten aversiven Signale unter Hunden gar nicht so oft genutzt werden. Denn Hunde haben so viele und durchaus feinere Signale, um es gar nicht zu diesen groben Auseinandersetzungen kommen zu lassen. Weshalb müssen wir denn gleich den Hammer hervorholen, wenn es doch auch anders geht. Und dabei erst noch zu erwarten, dass unsere Hund uns trotz unserer ungenauen „Aussprache“ verstehen und auf keinen Fall zurück drohen.

Wir haben doch dank unserer verbalen Sprache ebenfalls so viel mehr Möglichkeiten als drohend und aggressiv unsere Hunde zu erziehen und auszubilden. Siehe dazu auch „Sie kommunizieren wie Hunde


ZITAT: Die Praxis der Hundehaltung

Dieser Abschnitt ist einfach nur eine Zusammenfassung von Trainings-Ausschnitten. Wer, der solches schreibt, hat wirklich schon mal länger guten Trainern über die Schulter geschaut oder deren Seminare besucht und das dort Gesehene reflektiert.

Ich habe es gemacht und war sowohl bei positiv als auch anders arbeitenden Trainern, die ihr Handwerkszeug verstehen. Und ich habe gesehen, dass die Meisten sehr ähnliche Ziele verfolgen, sich aber der Weg dorthin deutlich unterscheidet. Da liegt es an jedem Hundehalter sich zu entscheiden, welchen Weg er wählt, um mit seinem Hund zusammenzuleben und mit ihm zu arbeiten – den Weg mit ODER ohne Korrekturen und Strafen.

ZITAT: Jegliche Eingriffe beim Hund werden angekündigt. Ob es nun ein Richtungswechsel ist, ein Anleinen, ein Hochheben, ein Festhalten und so weiter.

Wieso auch nicht? Denn wie es auch für mich angenehmer ist, wenn mir Jemand sagt, komm wir setzen uns dahin, statt mich einfach zur nächsten Bank zu ziehen, ist es das doch auch für Hunde. Und wie ich es nicht mag, wenn mich einfach Jemand ohne Ankündigung anfasst, um etwas an mir zu entfernen, gestehe ich es dies auch meinem Hund zu. Deshalb: Weshalb soll ich diese Höflichkeitsgeste nicht auch meinem Hund gegenüber zeigen?

Dies gilt erst recht, wenn die Hand auch korrigierend und strafend eingesetzt wird. Denn wie soll der Hund sonst wissen, was die Hand gerade vor hat, wenn es keine Ankündigung gibt.

ZITAT: Schon ein lautes „Nein“ ist verpönt, da man dann mit Schreckreizen arbeitet und der Hund nur aus Angst vor Strafe hört

Hier ist doch die Frage, wie wurde das «Nein» aufgebaut / konditioniert. Folgte dem „Nein“ etwas Negatives wie im Zitat, dann ist es für den Hund ein unangenehmes Signal.

Wurde es jedoch mit positiven Verstärkern aufgebaut, dann fühlt sich auch das „Nein“ gut an und der Hund folgt ihm gerne. Beispiele aus dem Alltag findest du in diesem Beitrag „Das ominöse „Nein“ zum Zweiten„.

ZITAT: Sobald der Hund etwas Besseres findet als die Hühnerherzen beim Menschen, wird er sich dem zuwenden. Hasen jagen ist für die meisten Jagdhunde einfach besser als das Futter beim Menschen.

Selbstverständlich wird es «Versager» geben und zwar sowohl im positiven als auch im Training mit Korrekturen. Denn es wird immer Reize/Versuchungen geben, die stärker sind, als jede noch so positive oder negative Konsequenz von uns.

ZITAT: Ab dem Punkt, wo der Hund einen Interessenkonflikt hat, steht man machtlos da.

Das kann, muss aber nicht so sein. Zudem wird auch eine Strafe diesen Hund nicht davon abhalten, irgendwann vielleicht doch dem Hasen nachzugehen.

Ausser die negative Konsequenz war in der Vergangenheit so hart, dass der Hund aus Angst vor Konsequenzen viele selbständige Verhalten einstellt. Und dies betrifft dann nicht mehr nur das Jagen. Denn in der Regel ist es für den Hund nicht ersichtlich, weshalb er korrigiert (geschimpft) wird noch was stattdessen von ihm erwartet wird.

Hingegen kann das Nicht-Jagen durch die positive Konsequenz so gut aufgebaut werden, dass der Hund sich im Konfliktfall für seinen Menschen entscheidet. Ohne dass er deswegen andere Verhalten wie Schnüffeln, selbständiges Erkunden unterlässt.

ZITAT: Und wenn sie es tun, haben sie ja auch keine negativen Konsequenzen zu erwarten. WARUM sollte der Hund also NICHT seinen Interessen nachgehen?

Weshalb soll ein Hund für etwas bestraft werden, dass seinen normalen hündischen Bedürfnissen entspricht, aber nicht unsere Erwartungen erfüllt?

Zumal es doch tolle Management-Techniken und -Werkzeuge gibt, welche die meisten unerwünschten Verhalten verhindern, sollte das Training (noch) nicht in der spezifischen Situation greifen.

ZITAT: Da verwundert es ebenfalls nicht, dass man nur selten mal das fertige Resultat sieht bei Hunden die Problemverhalten zeigen und so „umgepolt“ werden

Da stellt sich die Frage, weshalb die Autorin diese Ergebnisse nur so selten zu sehen bekam? Denn Beispiele für diese Resultate gibt es zu Genüge.

ZITAT: Permanent machen Hunde uns soziale Angebote. Was spricht dagegen, diese Angebote auch sozial zu beantworten?

Aufgrund der fehlenden Definition zu den sozialen Angeboten, wäre es eine reine Spekulation was die Autorin damit meint.

Sind bei diesen Angeboten zum Beispiel sozio-positive Kontaktaufnahmen gemeint, dann finden sich unzählige bei den positiv arbeitenden Hundehaltern wie ein Lächeln oder feine Berührung. Und selbstverständlich werden auch andere soziale Angebote wie Spielaufforderungen oder Kuschelangebote sehr oft positiv beantwortet.

Hingegen beantworten wir ein Knurren nicht mit einem Knurren oder ein aggressives Verhalten mit noch einem aggressiveren Verhalten. Denn wie wir wissen, führt Aggression zu weiterer Aggression. Da sind wir Menschen doch unseren Hunden gedanklich voraus und können reflektieren wie wir anders mit diesen Situationen umgehen können.

ZITAT: Warum sollte man an dieser Stelle mit der Konditionierung anfangen und somit Kommunikation in seiner ursprünglichen Form behindern?

Keine Ahnung zu welcher Situation diese Aussage passen soll. Könnte es sein, dass die Autorin Training und Unterstützung im Konflikt mit dem alltäglichen Leben gleichsetzt?

Denn selbstverständlich besteht das Leben eines positiven Hundehalters mit seinem Hund nicht nur aus Ausbildung und erst recht nicht nur aus Konditionierung. Was wäre das für ein Leben, wenn nicht auch Platz für eine ganz normale, freundliche Kommunikation und Zusammensein wäre?

ZITAT: Sie leben permanent in einer Grauzone, ohne zu wissen was nun gewollt ist und was nicht

Diese Aussage ist genau so wenig nachvollziehbar wie die davor. Denn wo lässt positives Training den Hund im Regen stehen? Es trifft doch genau das Gegenteil zu: es zeigt dem Hund, welche Verhalten erwünscht sind und wie er einen Konflikt anders als mit Aggression lösen kann.

Gerade das im Artikel aufgeführte chinesische Experiment ist ein super Beispiel dafür. Denn auch hier muss der Besucher erst die Regeln und die Verhaltensweisen dieses für ihn fremden Landes lernen, um nicht anzuecken. Da ist er dankbar um Jemandem, der ihm dies alles freundlich und in seinem Tempo zeigt und auch bei Fehlern geduldig bleibt.

Der chinesische Führer würde den Besucher auch nicht bewusst in Fehler laufen lassen, um ihn dann dafür zu sanktionieren.


ZITAT: Gegen Unsicherheit und Stresssymptome wird natürlich ebenfalls wieder alles „schön geclickert“ ohne zu sehen, dass der Hund einfach nur eine eindeutige Linie bräuchte, an der er sich orientieren kann.

Klare Linien und Leitplanken sind wichtig. Sie müssen dem Hund jedoch so gezeigt werden, dass er diese Linien versteht. Und genauso wichtig, dass sich auch der Mensch an diese Vereinbarungen hält und sie nicht ständig und unwillkürlich wechselt.

Aber es darf auch nicht dazu führen, dass der Hund nur noch auf Erlaubnis etwas macht oder dass er damit so eingeschränkt ist, dass seine Bedürfnissen und natürlichen Verhalten untergehen. Manche Hunde können sich vielleicht irgendwie damit arrangieren und ein recht gutes Leben führen. Aber trotzdem wird ihnen immer etwas fehlen.

Was aber ist mit all den Anderen, die sich deswegen laufend im Konflikt zwischen ihren eigenen Bedürfnissen und der Angst vor den negativen Konsequenzen befinden?

Weshalb sollen wir also dem Hund nicht mit den tollen Trainingstechniken aus der positiven Werkzeugkiste helfen, diese Linien ganz ohne Stress und Unsicherheit zu lernen? Dabei ist aber auch zu bedenken, dass sich ein Hund, der zum Beispiel ständig zurückgerufen und belohnt wird, irgendwann ebenfalls unfrei fühlen wird. Deshalb achten wir beim positiven Training darauf, den Hund so auszubilden, dass er möglichst viel Freiraum innerhalb unserer Leitplanken gewinnen kann.

ZITAT: Es wird behauptet, alles könnte man positiv gestalten. Was aber tun, wenn der Hund sich aggressiv zeigt?

Was genau ist mit „alles“ und „aggressiv“ gemeint?

Ist damit das Drohen gemeint, wenn sich die Katze dem Knochen des Hundes nähert oder das Imponieren vor einem Rivalen? Oder der Hund, der in einer Hundebegegnung das Gegenüber verbellt?

Hier kann man doch dem Hund helfen, indem man zum Beispiel dafür sorgt, dass die Katze gar nicht erst in seine Nähe geht, wenn er frisst. Und dass er bessere Lösungsstrategien für Hundebegegnungen lernt. Selbst ein Splitten/Blockieren kann ohne Drohen oder Fixieren aufgebaut werden. So dass der Hund weder Meide- noch Stressverhalten zeigen muss, sondern sein Verhalten gerne stoppt und seinem Menschen folgt.

Und wenn ein aggressive Verhalten immer wieder übertrieben oder unbegründet auftritt, dann gilt es nach den Ursachen zu suchen und diese zu beseitigen. Vielleicht hat der Hund Schmerzen oder in den gleichen Situationen schon mehrere negativen Erfahrungen gemacht und weiss sich nicht mehr anders zu helfen. Was nutzt es da, durch Korrekturen bloss das Verhalten abzustellen, ohne die Ursachen zu verändern?

Und deshalb wird der positiv arbeitende Hundehalter keine (aggressive) Korrekturen und Strafen gegen dieses Verhalten einsetzen sondern auf die Behebung der Ursachen setzen. Und bis dahin wird er darauf achten, dass der Hund möglichst nicht mehr in diese für alle belastenden Situationen gerät.

ZITAT: Wer sagt, dass der Hund Aggressionen wirklich als negativ erlebt? 

Wenn ein Hund immer wieder in Situationen kommt, in denen er sich verteidigen oder sonst ein aggressives Verhalten zeigen muss, wird er vielleicht eines Tages nach dem Motto leben „Angriff ist die beste Verteidigung“. Erst recht, wenn er dabei öfters als vermeintlicher Sieger aus der Auseinandersetzung herausgeht. Was dann tatsächlich so aussieht, als ob er es gerne macht, aber selten den Tatsachen entspricht.

Ausserdem haben Studien unter anderem an Affen gezeigt, dass gewonnene Auseinandersetzungen zu einer Erhöhung des Testosteron-Spiegels führt und der Affe diese deshalb immer wieder sucht. Darauf ebenfalls mit Aggression zu reagieren, wird daher wenig zielführend sein.

Die restlichen Punkte lasse ich einfach mal so stehen. Nur so viel: nicht jeder unsichere Hund hat auch einen unsicheren Hundehalter.

ZITAT: Kontrolle als Gefahr der Persönlichkeitsentwicklung: Hunde lernen Hilflosigkeit

Diese Argumentation finde ich spannend. Denn gerade das gute positive Training zeigt dem Hund Wege zur eigenständigen Problemlösung.

Dabei hilft der kontrollierte Trainings-Aufbau, dass der Hund immer nur soweit mit Auslösern und Reizen konfrontiert wird, wie er noch bewältigen kann und lernfähig bleibt. Und genau dies führt aus der Hilflosigkeit aber auch aus einer zu starken Abhängigkeit von seinem Besitzer heraus.

Beim Training über Korrekturen und Strafen hingegen geht erst einmal ganz viel Kontrolle vom Besitzer aus, die dem Hund wenig Freiheiten zum Ausprobieren gibt.

ZITAT: Eine Auseinandersetzung des Hundes mit einer für ihn unangenehmen Situation wird auch gar nicht gewünscht

Aber natürlich ist dies gewünscht. Denn es sollen ja keine Scheuklappen-Hunde ausgebildet werden, sondern Hunde, die auch für schwierige Situationen gute Problemlösungen gelernt haben. Aber halt einfach immer in der Dosis, mit der der Hund noch lernen kann.

ZITAT: Was ist genau Gewalt? Wenn schon ein Leinenimpuls Gewalt ist, muss ich ein gewalttätiger Mensch sein.

Nein, der Leinenimpuls selbst wird sicherlich von den wenigsten Hunden als gewalttätige Handlung wahrgenommen. Aber nicht genau zu wissen, wann der nächste kommt, wird den Hund verunsichern und er wird vielleicht wirklich nicht mehr an der Leine ziehen. Aber nicht weil er verstanden hat, um was es geht.

Denn genau wie beim Menschen, von dem man weiss, dass immer wieder unerwartete und unangekündigte negative Einwirkungen eine grosse psychische Belastung darstellen, ist das auch beim Hund. Und wie der Mensch wird der Hund mit der Zeit immer mehr Verhalten einstellen.

ZITAT: Das mag durchaus so sein, aber andere Wege sind auch gewaltfrei. Gewalt ist nicht eine Strafe

Das ist richtig. Aber umgekehrt kann ein Schuh daraus werden. Und zwar dann, wenn die Strafe vom Bestraften als physische oder psychische Gewalt wahrgenommen wird. Dies geschieht umso schneller, je inkonsequenter das Verhalten des Strafenden ist. Und weil Niemand von uns tatsächlich in der Lage ist, immer und zu jeder Zeit alle Regeln beim Strafen einzuhalten, wird es dies öfters der Fall sein.

Ausserdem, wie soll der Hund verstehen, wofür er bestraft wird, wenn er sich keines Unrechts bewusst ist? Dazu müsste er ja erst lernen, was in unseren Augen richtig ist. Aber wozu braucht es dann noch eine Strafe? Reicht da nicht eine Erinnerung durch ein bekanntes Signal?

Und deshalb ist der positive Weg nicht einfach nur ein gewaltfreier Weg sondern einer, der auf bewusste Strafen und Korrekturen verzichtet (im Sinne des 4. Lernquadranten P+). Das hat weder etwas mit Wattebauschwerfen, Gutmenschen oder grenzenlosem Training (Laisser-faire, antiautiauritär…) zu tun.

Und ja, es ist richtig. Auch ein positiv arbeitender Hundehalter oder sein Hund haben mal einen schlechten Tag und es läuft nicht alles rund. Aber in solchem Momenten wird auch nicht trainiert, sondern Management betrieben wo es nötig ist und den Rest ruhen gelassen. Denn auch so kann auf Strafen verzichtet werden.

ZITAT: Eine offene Gesprächskultur als Grundbedingung

Da bin ich ganz bei der Autorin. Mit verhärteten Ansichten und Vorurteilen in eine Diskussion zu gehen bringt nichts. Nur wie schade ist es dann, im gleichen Abschnitt mit abwertenden Titulierungen zu einer offenen Gesprächskultur aufzurufen.

Es bringt aber genauso wenig, in das Gespräch mit der Idee einzusteigen, die positiv arbeitenden Trainer davon zu überzeugen, dass es bei manchem Hund ohne Korrektur nicht funktioniert. Denn dass es anders geht, zeigen unzählig positiv arbeitende Trainer und Hundehalter.

Schade finde ich es auch, wenn man sich in Diskussionen gegen das Wort Strafe oder Gewalt verwehrt und kurz darauf wieder genau jene Beispiele bringt, bei denen doch mit Korrekturen und Blocken gearbeitet wird – weil es eben doch Hunde gibt…

Daher, schau dir die Arbeit von positiv arbeitenden Trainern nicht nur anhand von Trainingsvideos an, sondern geh mit diesen in den Alltag und begleite sie in ihrem Training. Und du wirst sehen, wie erfolgreich dieses Training auch bei Hunden mit grösseren Themen ist.


Es hätte noch diverse Textstellen gegeben, die ich hätte zitieren mögen. Aber dann wäre dieser Artikel noch viel länger geworden 🙂

Kein positiv arbeitende Hundehalter behauptet, dass ein Training mit Strafen und Korrekturen nicht funktioniert. Sie sind aber nicht bereit, diese bei irgendeinem Lebewesen bewusst anzuwenden und schon gar nicht bei einem, für das sie verantwortlich sind. Denn sie wissen, dass es auch anders geht.

Weitere Links zu diesem Thema:


© 2021 Monika Oberli, Teamschule.ch

2 Gedanken zu “Von Wattebauschwerfern und Gewalt(anwendern)

  1. Welche „Studie, bei der man heraus gefunden hat, dass ein Hund, der über Teletak und Stachelhalsband ein Abbruchsignal lernt, weniger Stress hat, als ein Hund der es nur positiv aufgebaut bekommen hat.“ ist denn gemeint?

    Ich kenne in der Richtung nur diese „Studie“ bei der positive mit negativer Strafe verglichen wurde: http://www.der-schutzhund.de/files/boehmi_ss09.pdf

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    • Ja, es geht um diese Studie in der ein Abbruchsignal konditioniert wurde.

      Ich hatte in Erinnerung, dass ich damals auch irgendwas zum Marker/Clicker gelesen habe. Aber ich habe mir nun nicht noch einmal das Literaturverzeichnis angeschaut. Deshalb habe ich das Wort „Clickertraining“ in diesem Abschnitt nun ersetzt.

      Aber es stand nirgends, dass dieses Abbruchsignal rein nur positiv aufgebaut worden sein soll. Jedoch gehört zu einer Arbeit mit negativen Strafen auch immer, dass man dem Hund gleichzeitig mit positiven Verstärkern zeigt, was denn erwünscht ist. Sonst kann die negative Strafe gar nicht richtig funktionieren und es kommt zu einer höheren Stressreaktion.

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