Gegenkonditionierung und Desensibilisierung – beide dazu da, um Emotionen zu verändern und dadurch den Weg für neue Verhalten zu ebnen.
DIE GEGENKONDITIONIERUNG
Stell dir vor, dein bis anhin leinenaggressiver Hund würde sich in Zukunft über das Erscheinen fremder Hunden freuen. Du glaubst nicht, dass dies möglich ist? Dann lass dich überraschen und du wirst sehen, dass dahinter keine Zauberei steckt.
Einmal mehr machen wir uns hier nämlich die klassische Konditionierung zu nutze. Mit dieser lernt dein Hund, dass ein fremder Hund zukünftig das Signal für etwas Tolles bei dir ist. Und statt auf Angriff oder Flucht zu setzen, wird er sich über dessen Auftauchen freuen.
Und so ist das Prinzip der Gegenkonditionierung auch ganz einfach: JEDES MAL, wenn dein Hund einen anderen Hund sieht, ist bei dir Party angesagt. Egal, ob er auf diesen Hund reagieren würde oder nicht. Und auch egal, welches Verhalten dein Hund gerade zeigt.
Es spielt auch keine Rolle, ob du Kekse kullerst, mit deinem Hund ein tolles Spiel startest oder mit ihm um die Wette rennst. Hauptsache ist, dein Hund hat Spass und du behältst die hohe Wertigkeit der Belohnung während des gesamten Trainings bei.
Natürlich beginnst du mit dem Training wie immer in ausreichender Distanz und nutzt für unerwartete Begegnungen Management-Massnahmen, welche du vorgängig aufgebaut hast. Und wenn du dann noch den Marker einsetzt, wird er noch schneller verstehen, dass die anderen Hunde die Party auslösen. Nicht lange und er wird sich beim Anblick eines Hundes das erste Mal zu dir umschauen und auf die Party warten. Das ist der grosse Moment, den es richtig zu feiern gibt.
Und wenn das immer öfters passiert, kannst du den Schwierigkeitsgrad langsam steigern und passende Alternativverhalten aufbauen.
Das war es eigentlich schon. Trotzdem empfehle ich dir, eine Trainerin an deine Seite zu nehmen, solltest du das erste Mal mit der Gegenkonditionierung arbeiten. Sie wird dir helfen, dass du von Anfang an Sackgassen und Fehler vermeidest. Denn wie überall, kommt es auch hier manchmal auf kleinste Details an. Sie wird dir aber auch Mut machen, wenn es mal nicht optimal läuft.
Du siehst, es geht in der Gegenkonditionierung darum, Gefühle und Emotionen ins positive zu verändern. Erst später wird der Fokus auch bewusst auf das Verändern von Verhalten gesetzt. Die Gegenkonditionierung legt den Grundstein dafür. Denn erst, wenn sich dein Hund gut fühlt, ist er auch in der Lage sich auf deine Verhaltensangebote einzulassen.
DIE GEGENKONDITIONIERUNG – FAST GRENZENLOS
Denn natürlich hilft eine Gegenkonditionierung nicht nur bei Hundebegegnungen sondern überall dort, wo es um Emotionen und deren Veränderungen geht wie bei
- Ängsten vor Gegenständen, Lebewesen oder Geräuschen
- Negativen Stressauslösern (Körperpflege, Tierarzt, Gerüchen…)
- Positiven Stressauslösern (Start zum Spaziergang, Ankommen am Trainingsplatz, Futtervorbereitung…)
- Hoher positiver oder negativer Erregung (andere Hunde, Bälle, Türklingel…)
- ….
EINE GEGENKONDITIONIERUNG BRAUCHT ZEIT
Wie lange eine Gegenkonditionierung dauert, kann dir niemand sagen. Dafür ist der Fortschritt von zu vielen Faktoren abhängig. Du wirst jedoch sehen, dass sich schnell erste Erfolge einstellen, welche wiederum motivieren, weiter zu machen. Und selbst wenn es auch später noch Momente gibt, in denen dein Hund auslöst, wird er auf jeden Fall wieder schneller ansprechbar sein.
Die Gegenkonditionierung klappt übrigens auch bei älteren Hunden. Mein erster Hund kam zum Beispiel mit 7 1/2 Jahren mit vielen Ängsten und Panik vor lauten Geräuschen zu uns. Dank Gegenkonditionierung und der anschliessenden Desensibilisierung durfte er noch ein paar schöne und angstfreie Jahre bei uns erleben.
Sie funktioniert aber auch bei Hunden, die sich über Fremdhunde so freuen, dass sie diese nicht ruhig kreuzen können.
Und ja, es gibt Hunde, bei denen eine Gegenkonditionierung nicht oder sehr lange nicht die gewünschte Wirkung zeigt. Das sind aber in der Regel Hunde mit gesundheitlichen Themen, Traumata und Ähnlichem. Deshalb muss vor oder gleichzeitig mit Trainingsstart auch immer eine gesundheitliche Untersuchung durchzuführen (Allgemeine sowie Blut-Untersuchungen, dazu Physio und/oder Osteo)
SO GEHT ES WEITER
Ich vergleiche die Gegenkonditionierung gerne mit einem Haus, welches aus Keller, Erdgeschoss und Dachstock besteht. Im Keller findet das unerwünschte Verhalten statt, im Erdgeschoss zeigt der Hund das normale, erwünschte Verhalten und im Dachgeschoss feiern wir Party.
Würdest du deinen Hund nur immer so belohnen, dass er es vom Keller ins Erdgeschoss schafft, würde er bei jedem Rückfall wieder im Keller landen und dort sein altes Verhalten weiter üben.
Dank der Gegenkonditionierung sind wir aber im Dachgeschoss angelangt. Und wenn er hier runterfällt, ist die Chance sehr gross, dass er im Erdgeschoss stoppt oder zumindest nicht mehr alle Kellertreppenstufen nimmt.
Sobald das Verhalten im Dachgeschoss in möglichst vielen Situationen stabil ist, kannst du die hochwertigen Belohnungen ausschleichen und auf weniger wertige umstellen. Denn das langfristige Ziel ist ja das Normalverhalten. Zur Auffrischung oder bei schwierigen Begegnungen wird jedoch weiterhin auf Hochwertiges gesetzt.
GEGENKONDITIONIEREN – EIN LEBEN LANG?
Nein, natürlich musst du nun nicht ein Leben lang bei Hundebegegnungen Partys feiern. Aber was spricht dagegen, deinen Hund für gutes Verhalten zu loben und hin und wieder auch zu belohnen? Insbesondere wenn die Begegnung gerade schwierig war.
Denn wie wir für unsere Arbeit Lohn erwarten und bekommen, hat doch auch der Hund das Anrecht, dass er für sein gutes Verhalten beachtet und belohnt wird. Und gerade bei Hundebegegnungen ist dies ja auch problemlos machbar.
Schwieriger wird es erst, wenn der Auslöser überraschend kommt und du nicht darauf vorbereitet bist. Oder bei allen Auslösern, welche in deiner Abwesenheit auftauchen. Hier ist es sinnvoll
- deinem Hund ein Alternativverhalten beizubringen, mit dem er sich selbständig entspannen oder aus der Situation nehmen kann
- oder das Training so anzupassen, dass der Hund irgendwann keinerlei Reaktion mehr auf den Auslöser zeigt
DESENSIBILISIERUNG und GEWÖHNUNG
Wird eine Gegenkonditionierung durchgeführt, bleibt es nicht aus, dass auch eine Sensibilisierung auf den Auslöser erfolgt. Dein Hund hat ja nun gelernt dass es sich lohnt auf einen Auslöser ein bestimmtes Verhalten zu zeigen. Und das darf auch gerne so bleiben.
Aber bei manchen ehemaligen Auslösern möchten wir auch einfach, dass der Hund diese als ganz normal ansieht und keinerlei bewusste Reaktion mehr darauf zeigt. Das heisst, das Reiz-Reaktions-Muster, welcher er während der Gegenkonditionierung und ihm Verlaufe des weiteren Trainings gelernt hat, soll nun wieder gelöscht werden.
Du kannst aber nun nicht einfach damit beginnen, das Verhalten deines Hundes zu ignorieren. Der Frust, der dabei entstände, führt sonst vielleicht dazu, dass dein Hund wieder auf sein altes Verhalten zurückfällt oder sich gar ein neues Problem einstellt. Hier kommt nun die Desensibilisierung zum Zuge mit der der Hund stressfrei dorthin geführt wird.
Natürlich wäre es auch möglich, eine Desensibilisierung ohne vorgängige Gegenkonditionierung durchzuführen. Aber gerade bei Ängsten oder grosser Erregung ist das Risiko gross, dass statt einer Desensibilisierung ein Flooding stattfindet oder dass der Hund neue Ängste oder Verhaltensprobleme entwickelt.
Aus diesem Grund findest du hier auch keine Anleitung wie du diese mit deinem Hund durchführen kannst. Sondern nur den Hinweis, dich an einen damit vertrauten Trainer zu wenden, der euch auf diesem Weg begleitet.
Meine eigene Erfahrungen dazu: Mein jüngerer Aussie hatte von Welpenbeinen an ein Thema mit fremden Menschen. Dies zeigte sich darin, dass er wirklich jede Person attackierte, die er sah und dies auch auf grosse Distanzen. Und so habe ich am Anfang tatsächlich im Sekundenbruchteil jeden auftauchenden Menschen gemarkert und ihm Kekse zugeworfen. Klar hätte ich sein Verhalten auch unterbinden können, was mir auch von einigen geraten wurde. Aber was hätte ihm das geholfen, Seine Angst wäre immer noch da gewesen, er hätte sie nur nicht mehr zeigen dürfen und auch keine Lösung mehr für sein Problem gehabt.
Aber so half mir die Gegenkonditionierung ein neues Verhalten zu etablieren, das mit dem alten nicht vereinbar war. Bei uns war es: Dreh dich zu mir und hol dir viele Kekse ab.
Und dank der anschliessenden Desensibilisierung schafft er es heute an 99% aller Menschen ohne Reaktion vorbei zu gehen oder höchstens noch eine minimale Anspannung zu zeigen, die ich mit Entspannungswort oder Marker gut lösen kann.
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