Verstehst du die operante Konditionierung, verstehst du auch wie Lernen funktioniert. Aber noch mehr wie sich dein Hund im Alltag und Training fühlt. Gleichzeitig kannst du dadurch deinen Hund vor unfairen und überfordernden Trainingsmethoden schützen. Egal ob sie auf dem Hundeplatz oder im TV gelehrt werden.
Die operante Konditionierung sorgt dafür, dass ein Verhalten bewusst gelernt und später auch bewusst ausgeführt wird. Im Gegensatz zur klassischen Konditionierung, bei der ein Verhalten praktisch reflexartig auf einen Reiz oder ein Signal folgt.
Klassische Konditionierung
Sobald ein Luftzug auf das Auge trifft,
schliesst sich dieses automatisch.
Operante Konditionierung
Du lernst die Muskeln deines Auges so zu bewegen,
dass du Jemandem zublinzeln kannst
Damit dieses Lernen gelingt, muss einem Verhalten eine Konsequenz folgen. Diese Konsequenz kann sich entweder angenehm oder unangenehm anfühlen. In der operanten Konditionierung nennt man diese Konsequenzen „Belohnungen und Strafen“. Oft auch als Verstärkung bzw. Korrektur, Einwirkung bezeichnet oder englisch: reinforcement und punishment genannt (R+/- und P +/-).
Verstärker/Belohnungen sollen den Hund dazu motivieren, das erwünschte Verhalten häufiger und gerne zu zeigen
Hemmer/Strafen sollen dazu führen, dass der Hund das unerwünschte Verhalten seltener zeigt oder gar ganz unterlässt
Würden wir Maschinen oder Computer „trainieren“, so wären wir damit Alles gesagt. Da es hier aber um unsere Hunde geht, dürfen wir nicht die Augen davor verschliessen, welche Emotionen wir bei ihm mit unseren Konsequenzen auslösen.
DIE 4 QUADRANTEN DER OPERANTEN KONDITIONIERUNG
Wir sehen, dass auf der grünen Seite viele gute Gefühle aufkommen, während auf der roten Seite Angst, Stress und Frustration vorherrschen.
Haben unsere Hunde nicht verdient, dass sich ihr Training und Alltag gut anfühlt?
Erst recht wenn wir wissen, dass die mit guten Gefühlen verbundenen Signale später auch gerne und freudig befolgt werden.
Während die über Hemmung und Strafe gelernten auch in Zukunft immer an diese negativen Emotionen erinnern werden.
NEGATIVE BELOHNUNG – POSITIVE STRAFE – WIE SOLL DAS GEHEN?
Belohnungen sind doch per se gut und Strafen unschön. In unserem Alltag machen diese zwei Verbindungen tatsächlich keinen Sinn. Denn hier bewerten wir positiv und negativ aufgrund unserer Emotionen, die wir damit verbinden.
Betrachten wir diese Begriffe jedoch rein wissenschaftlich, so sind diese weder wertend noch emotional zu verstehen.
Es handelt sich um eine rein mathematische Formel: Positiv fügt etwas hinzu / negativ nimmt etwas weg. Verständlicher wäre es sicherlich, wenn man stattdessen „Plus und Minus“ verwendet hätte. Aber in der Lerntheorie hat man sich nun mal auf die anderen Begriffe geeinigt.
Deshalb hier eine kleine Hilfe zum besseren Verständnis:
POSITIVE BELOHNUNG
Etwas Angenehmes / Tolles wird
hinzugefügt
NEGATIVE BELOHNUNG
Etwas Unangenehmes / Angstmachendes
verschwindet
POSITIVE STRAFE
Etwas Unangenehmes / Angstmachendes
wird hinzugefügt
NEGATIVE STRAFE
Etwas Angenehmes wird weggenommen / vorenthalten
Das Hinzufügen von
einem Leckerchen fühlt sich gut an und wirkt belohnend
.
Ausschimpfen ist unangenehm und wirkt strafend
Das Wegnehmen von
einer Spinne fühlt sich gut an und wirkt erleichternd
.
eines Spielis fühlt sich schlecht an und wirkt frustrierend
POSITIVE UND NEGATIVE BELOHNUNGEN/VERSTÄRKER SIND JEDOCH NICHT GLEICHWERTIG
Während die richtig gewählte und angewandte positive Belohnung immer gute Gefühle auslöst, ist die negative Verstärkung ein zweischneidiges Schwert. Damit diese zur Erleichterung führen kann, muss davor immer etwas Unangenehmes anwesend sein: Ich muss erst Kopfschmerzen haben, damit wir die entsprechende Tablette Erleichterung verschafft.
Und das gleiche gilt für unsere Hunde. Denn auch da muss etwas Unangenehmes da sein, das entfernt werden kann wie
- Schmerzen
- Dinge die Angst machen
- Druck (physisch und/oder psychisch)
- Körperliche oder mentale Einschüchterung
- vermeintliche oder echte Bedrohung (fremder Hund/Mensch…)
- ….
Dadurch sind vor der Erleichterung auch immer die damit verbundenen unangenehmen Gefühle akut vorhanden und werden erst durch das Entfernen oder die Distanz zum Auslösers beseitigt.
Natürlich können wir das Auftauchen von Unangenehmen im Alltag nicht immer verhindern. Dann ist es gut, dass wir auf die negative Verstärkung zurückgreifen können. Damit können wir den Hund in der Situation unterstützen und ihm gleichzeitig Lösungswege aufzeigen.
Unfair wird die negative Verstärkung hingegen jedoch, wenn wir im Training und Alltag unseren Hund bewusst oder so lange unangenehmen Dingen aussetzen, bis er sich richtig verhält und erst dann das Unangenehme entfernen.
Zur Veranschaulichung hier einige Beispiele:
UNANGENEHMES EREIGNIS | REAKTION DEINES HUNDES | KONSEQUENZ BZW. DEIN VERHALTEN | DARAUS ERLERNTES VERHALTEN |
Guter und fairer Einsatz | |||
Ein Dorn steckt in der Pfote deines Hundes | Dein Hund gibt dir die Pfote | Du entfernst den Dorn und der Schmerz hört auf | Ich geh zu meinem Menschen und bekomme Hilfe. |
Pferde auf der Koppel | Dein Hund fühlt sich unwohl | Du läufst einen Bogen mit deinem Hund | Auf Distanz gehen, wenn etwas Angst macht |
Ein fremder Hund taucht auf | Dein Hund spannt sich an | Du weichst auf die Wiese aus wo dein Hund den anderen in aller Ruhe anschauen oder in der Wiese schnüffeln kann. | Distanz fühlt sich besser an als andere zu vertreiben Noch effektiver, wenn du in der Wohlfühldistanz Kekse ausstreust (positive Verstärkung) |
Unfairer Einsatz | |||
Du sagst SITZ und drückst mit der Hand auf den Po deines Hundes | Dein Hund setzt sich hin | Du nimmst die Hand weg und der Druck hört auf | Das Signal SITZ fühlt sich unangenehm an und ich kann dem Druck nur entgehen, wenn ich mich vorher hinsetze |
Du machst einen Schritt auf deinen Hund zu | Dein Hund setzt sich hin | Du gehst wieder einen Schritt zurück, der Druck endet | Dito. Das Signal fühlt sich aber trotzdem nicht besser an |
Nicht immer können wir Unangenehmes GANZ vermeiden. Aber wir können verhindern, dass wir selber oder unser Verhalten die Ursache für das Unangenehme sind.
Und für alles Andere können wir so gut wie mögliche Management betreiben bis der Hund gute Alternativverhalten gelernt hat, welche sowohl Problemlöser als auch Verstärker für den Hund sind wie:
- auf Distanz zum Auslöser gehen
- Hilfe beim Besitzer suchen
- am Boden schnüffeln
Aber auch Signale, die deinen Hund entspannen oder mit denen du deinen Hund aus der belastenden Situation holen kannst, sind sehr wertvoll.
Daher, erziehe und bilde deinen Hund so aus, dass du dich so oft wie möglich, aus der Werkzeugkiste der positiven Verstärkung bedienen kannst. Dein Hund wird es dir durch eine vertrauensvolle und stressfreie Beziehung danken.
ABER AUCH BEI DEN ANDEREN QUADRANTEN LÄUFT ES NICHT IMMER WIE GEPLANT
Denn wenn du deinen Hund ganz zurückrufst und für sein Kommen toll belohnst, kann es dir passieren, dass dein Hund extra wegläuft, damit er sich eine Belohnung verdienen kann.
Das muss nicht immer schlecht sein. Jason hat zum Beispiel in jungen Jahren das Hetzen von Vögeln geliebt. Er hat es nicht bewusst gesucht, aber wenn er die Chance dazu bekam, nutzte er sie auch. Durch ein entsprechendes Training habe ich es geschafft, dass ich ihn auch während des Hetzens noch abrufen konnte. Eines Tages lief er jedoch los und ich spürte, dass etwas Anders war. Und tatsächlich drehte er sich auf halber Strecke um und schaute mich an, fast als wollte er sagen, weshalb rufst du jetzt nicht. Ab dem Zeitpunkt war für ihn die Zusammenarbeit mit mir fast immer wichtiger als das Hetzen selber und ich konnte Beginnen, das Abwenden zu verstärken. Denn nun hatte sein Verstand an Gewicht gegenüber den Emotionen gewonnen.
Und natürlich geht es auch umgekehrt. Du willst ein unerwünschtes Verhalten reduzieren, hemmst dabei aber auch gleichzeitig und oft unbewusst erwünschtes, weil du zu spät reagierst. Dann schaut dich dein Hund vielleicht gerade an, nachdem er einmal gebellt hat.
DAS VERHALTEN VERÄNDERT SICH NICHT
Wenn sich ein Verhalten nicht in die gewünschte Richtung verändert, ist es vielleicht weil
- dein Hund das Verhalten nicht oder noch nicht zu leisten vermag
- dein Hund Schmerzen hat
- du deinen Hund unbewusst für das unerwünschte Verhalten belohnt hast
- du deinen Hund unbewusst für das erwünschte Verhalten bestraft hast
- du die Belohnung nicht passend zur Situation und Leistung gewählt hast
- dein Trainingsweg nicht der richtige für deinen Hund ist
Deshalb arbeiten auch alle achtsam und fair trainierenden Hundehalter und Trainer mit so viel Verstärkung wie möglich, so wenig negativer Strafe wie nötig und verzichten auf jegliche Form von positiver Strafe.
Dass die gleichen Mechanismen auch beim Menschen wirken, zeigt das nachfolgende Video „Konditionieren anhand von The big bang theory„
Weitere Artikel zu diesem Thema
Weitere Informationen über Belohnungen und Strafen findest du unter den aufgeführten Links:
- Belohnungen im Hundetraining
- Strafen im Hundetraining
- Die Belohnungshierarchie deines Hundes
- Was es mit dem Ignorieren auf sich hat
© 2016 – Teamschule – Monika Oberli
(Letzte Überarbeitung: November 2020)
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